Strafrecht. 61
Wegnahme der Leiche (d. i. der tote Menschenleib, solange er die Individualität erkennen läßt)
aus der Obhut des Berechtigten, ferner für die Beschädigung und Zerstörung des Grabes als
des Raumes, welchen die Leiche, die einstige Hülle der Seele, birgt und schließlich für den be-
schimpfenden Unfug an einem Grabe.
§ 36. Friedensstörungen.
Der Friede ist der Zustand der Anerkennung ungestörter Betätigung. Dieses Rechts-
gut besitzt jemand nicht um seiner selbst willen, sonderm wegen seiner Zugehörigkeit zu einer
meist durch räumliche Beziehungen geschaffenen Gemeinschaft.
I. Hausfriedensbruch (7 123 StGGB.). Das Rechtsgut des Friedens erscheint
als Hausfrieden für die Hausgenossenschaft. Träger des Hausfriedens ist der Hausherr, d. h.
derjenige, welcher über die befriedeten Räumlichkeiten zu verfügen berechtigt ist. Als Räum-
lichkeiten, welche den Schutz des Hausfriedens genießen, zählt das Gesetz auf: die Wohnung,
d. i. der Raum, welcher zur ordnungsmäßigen Nachtruhe dient, Geschäftsräume, anderes befriedete
Besitztum und abgeschlossene, d. h. baulich begrenzte Räume, welche zu öffentlichem Dienst
oder Verkehr (wie z. B. Eisenbahnabteile) bestimmt sind. Ohne den Willen des Hausherrn
darf die durch den Hausfrieden geschützten Räume niemand betreten. Gegen seinen Willen
darf sich niemand darin aufhalten. Durch die bloße Aufforderung zum Entfernen wird ein
ferneres Verweilen darin zu einem rechtswidrigen.
Wäre nun das objektiv widerrechtliche Eindringen oder Verweilen schon strafbar, so würde
jeder Handlungsdiener, der die fremde Wohnung in Abwesenheit des Hausherrn öffnet und
Waren darin niederlegt, einen Hausfriedensbruch begehen. Um derartige Konsequenzen zu
vermeiden, hat das Gesetz mit dem Merkmal der Rechtswidrigkeit das Delikt auf diejenigen
Fälle beschränkt, in denen der Täter mit dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit handelt.
Der Hausfriedensbruch ist qualifiziert, wenn er von einer mit Waffen versehenen Person
oder von mehreren gemeinschaftlich verübt wird (§ 123 Abs. 3). Den Ubergang vom Haus-
zum Landfriedensbruch bildet die sog. Heimsuchung, d. i. der Hausfriedensbruch, der
von einer öffentlich zusammengerotteten Menschenmenge in der Absicht begangen wird, Gewalt-
tätigkeiten gegen Personen oder Sachen zu verüben (5 124 StGB.).
II. Landfriedensbruch. Begeht die Menschenmenge tatsächlich solche Gewalt-
tätigkeiten, so liegt das Delikt des Landfriedensbruches vor (§ 125), das sich hierzu verflüchtigt
hat aus einem der bedeutendsten Verbrechen aus der Zeit des Fehderechts, in der es jede
Störung des öffentlichen Friedens durch eine von Bewaffneten begangene Gewalttat umfaßte.
III. Landzwang. Ein Delikt, das gleichfalls seine frühere Bedeutung verloren hat,
ist der Landzwang, worunter heute die Störung des öffentlichen Friedens durch Bedrohung
mit einem schwereren gemeingefährlichen Verbrechen (Verbrechen i. e. S.) verstanden wird
(( 126 St GB.).
Als weitere Friedensstörungen mögen nur noch angeführt werden: Aufreizung zum
Klassenkampf (§ 130 StGB.) und Kanzelmißbrauch (§ 130 a StGB.), ferner Drohung (5241
St GB.), sowie Verletzung des Briefgeheimnisses (§299 StGB.) und Preisgebung des Advokatur-
und ärztlichen Geheimnisses (5 300 StGB.). Auch die beiden letzteren Delilte verdienen, ob-
wohl sie eine gewisse Sonderstellung einnehmen, hierhin gerechnet zu werden, da mit ihnen
nicht nur der unmittelbar Betroffene geschädigt, sondern auch die Rechtssicherheit der Gesell-
schaft gestört wird.
§ 37. Verbrechen gegen Treu und Glauben im Verkehr.
Handel und Verkehr haben gewisse Beglaubigungsmittel nötig. Daraus ergibt sich für
alle, welche im Berkehr stehen, ein Interesse daran, daß diese Beglaubigungsmittel der Wahr-
heit entsprechen. Deshalb dürfte die publica fides ihre bisweilen bestrittene Stellung als
besonderes Rechtsgut wohl mit Recht behaupten. Gegen sie richten sich die Verbrechen an Ur-
kunden und Münzen.