Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

68 F. Wachenfeld. 
so macht die Straflosigkeit der Selbstbefreiung es unmöglich, den Gefangenen wegen Teilnahme 
an diesem Delikt zur Verantwortung zu ziehen. — 
Als weitere Delikte gegen die Staatsgewalt wären noch diejenigen zu nennen, welche 
besondere Mißachtung derselben bekunden. Das sind: Verleumdung von Staatseinrichtungen 
oder anordnungen (§ 131 StGB.), Amtsanmaßung (5* 132), Siegelbruch (5§ 136), Arrestbruch 
(§ 137), Beseitigung oder Beschädigung amtlich aufbewahrter Gegenstände (§ 133) oder öffent- 
lich angeschlagener amtlicher Kundgebungen (5 134), Beseitigung, Beschädigung oder Herab- 
würdigung von Hoheits= oder Autoritätszeichen, wie Grenzpfählen, Fahnen, Wappen (§ 135). 
8 40. Verbrechen gegen die einzelnen Staatsverwaltungszweige. 
Der moderne Staat mit seinen gesteigerten Kulturaufgaben bedarf eines umfänglichen 
Verwaltungsapparates, zu dessen Schutz ein schier unübersehbares Heer von Strafgesetzen dient. 
Anstatt einfache und umfassende Grundregeln zu geben, hat sich der Gesetzgeber auf diesem Gebiet 
geradezu erschöpft und die verschiedenen Verwaltungszweige bis ins kleinste mit Strafbestim- 
mungen umgeben. Die einzelnen Delikte auch nur annähernd vollständig anzuführen, ver- 
bietet der zur Verfügung stehende Raum. Sie werden meist in fünf Gruppen eingeteilt, von 
denen sich vier auf die vier Hauptverwaltungszweige: Rechtspflege, Militär-, Finanz- und 
Polizeiwesen, beziehen, und eine die Delikte der Beamten als der in den Verwaltungszweigen 
tätigen Organe enthält. 
a) Berbrechen gegen die Rechtspflege. 
I. Meineid. Noch mehr als andere Verwaltungszweige muß sich gerade die Rechts- 
pflege auf die Wahrheit des beschworenen Wortes zum Zweck einer der Wahrheit entsprechenden 
Entscheidung verlassen können. Darum erscheinen die Eidesdelikte als Verbrechen gegen die 
Staatsverwaltung und speziell die Rechtspflege. Diese Auffassung ist keine unbestrittene. 
Vielfach sieht man sie als Fälschungsverbrechen an und stellt sie mit den Münz-= und Urkunden- 
delikten zusammen. Gewif ist eine große Ahnlichkeit mit diesen unverkennbar. Denn wie hier 
die Urkunde oder die Münze wird bei den Eidesdelikten die Aussage gefälscht; aber die Hand- 
lung nimmt eine andere Richtung. Ein rechtlich geschütztes Interesse der Gesellschaft 
an der Wahrheit des beschworenen Wortes gibt es nicht. Es ist keine Veranlassung, einzu- 
schreiten, wenn Private untereinander Unwahres beschwören. Das öffentliche Interesse beginnt 
erst, wenn vor einer Behörde Falsches bekundet wird, endet aber nicht bei der Wahrheit der 
eidlichen Aussage. 
Nach geltendem Recht tritt Strafe nur für die Ausschwörung eines falschen Eides und 
für die Abgabe einer dem Eid gleichgestellten falschen Aussage ein. Unter letztere fallen nicht 
die eidesstattlichen Versicherungen, sondern nur die Beteuerungsformeln von Religionsgesell 
schaften, welchen solche statt des Eides gestattet sind, und gewisse Versicherungen unter Be 
rufung auf einen früher geleisteten Eid (§ 155 St GB.). 
Der Eid ist die feierliche Anrufung Gottes in einer bestimmten Form. Welche Form 
beobachtet sein muß, besagt dasjenige Gesetz, auf Grund dessen der Eid zu leisten ist. Soweit 
dafür die Reichsprozeßgesetze in Betracht kommen, sind wohl die feierlichen Einleitungs- und 
Schlußworte („Ich schwöre“ usw. und „So wahr mir Gott helfe"), aber nicht die Erhebung der 
rechten Hand, als Bestandteile des Eides anzusehen. Bleiben die wesentlichen Formen der 
Eidesleistung unbeachtet, kann von einem Meineid keine Rede sein. Ebenso ist die Annahme 
desselben ausgeschlossen, wenn aus materellen Gründen kein Eid vorliegen würde, z. B. wegen 
Eidesunfähigkeit des Schwörenden. 
Die Grundformen der Eidesdelikte sind: 
1. Meineid in eigener Sache (7 153 StGB.), also der falsche Parteieid. 
solcher wird entweder einer Partei zugeschoben, zurückgeschoben oder vom Richter bzw. von 
einer anderen für die Eidesabnahme zuständigen Behörde (z. B. ausländischen Gesandtschafts- 
oder Konsulatsbeamten) auferlegt. Weil letzteres auch für den Offenbarungseid zutrifft, ist 
an ihm ein Meineid möglich, während dies für den Kompromißeid anzunehmen nicht angeht.
	        
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