Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Gefängnisrecht und Recht der Fürsorgeerziehung. 79 
wir als den eigentlichen Gegenstand der Darstellung ansehen. Verfehlt wäre es auch, wollte 
man etwa die im Gefängniswesen enthaltenen Fragen, je nachdem sie rechtliche oder nicht- 
rechtliche sind, in der Darstellung voneinander trennen und danach den gesamten Stoff anordnen. 
Dafür hängen die beiden Arten von Fragen miteinander zu eng zusammen. Die verwaltungs- 
rechtliche und die technische Gefängnisbeamtenfrage z. B. lassen sich nicht getrennt voneinander 
erörtem. Wesentlich ist nur, festzuhalten, daß die Rechtswissenschaft es hier mit einem ihrer 
Zweige zu tun hat. 
Wer an dem Bestehen einer Gefängniswissenschaft trotzdem noch zweifelt, muß dem 
Rechte selbst den Charakter der Wissenschaft abstreiten. 
II. Bei der rechtlichen Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe steht das Interesse 
des vollstreckenden Staates, also ein Allgemeinheitsinteresse, in erster Linie. Diesem Interesse 
ist das des einzelnen, vor allem des Gefangenen, untergeordnet. Das den Strafvollzug 
regelnde Recht ist ein Teil der öffentlichen Rechtsordnung. Gefängnisrecht ist 
öffentliches Recht. 
Es wäre, wie alles Recht, das die Herrschaftsgewalt des Staates zum Gegenstande hat, 
Staatsrecht. Doch sind aus diesem, wie bekannt, eine Reihe von Teilgebieten ausgeschieden 
und zu selbständigen Rechtszweigen erhoben worden, weil man dabei der Eigenart des einzelnen 
Gebietes besser Rechnung tragen zu können hoffte. Dahin gehören die beiden Prozeßrechte, 
das Strafrecht und das Verwaltungsrecht. 
Wenn es die Aufgabe des Verwaltungsrechtes ist, die rechtlichen Beziehungen zu regeln, 
die zwischen dem verwaltenden Staate und seinen Untertanen bestehen 7, so ist das Gefängnis- 
recht ein Zweig des Verwaltungsrechtes 2. Aber freilich enthält grundlegende Bestimmungen 
über den Inhalt der zu vollstreckenden Strafe auch das Strafrecht und über die formalen Vor- 
aussetzungen der Strafvollstreckung das Strafprozeßrecht. So sind alle drei aus dem Staats- 
recht ausgeschiedenen Gebiete am Gefängnisrechte beteiligt. 
Wenn man nun aber auch für sie aus Zweckmäßigkeitsgründen besondere Behandlung, 
besondere Vorlesungen, Lehrbücher und Professuren geschaffen hat, so kann das doch an ihrer 
inneren Zugehörigkeit zum Staatsrechte nichts ändem. Es handelt sich 
in ihnen doch nun einmal sachlich um Rechte und Pflichten des Staates als Träger von 
Hoheitsrechten. Diese Zugehörigkeit hat man zum Schaden der ausgeschiedenen Gebiete viel- 
fach völlig vergessen. Aus ihr aber folgt, daß das geltende Staatsrecht und vor allem, daß 
das Verfassungsrecht auf sie insoweit Anwendung finden muß, wie nicht aus dem Sonder- 
charakter des ehemaligen Teilgebietes in der einzelnen Frage Gegenteiliges sich ergibt: Der 
Vollzug der Freiheitsstrafe, d. i. die Gefangenschaft, steht grundsätzlich 
unter den Sätzen des geltenden Staatsrechtes. 
Nun lehrt im Verfassungsstaate, wie es der unsrige ist, das Staatsrecht, daß alle Be- 
stimmungen über die Rechte und Pflichten der Einzelpersonen auf gesetzlichem Wege 
ergehen müssen 3. Entweder also ist zu ihrem Erlaß unmittelbar Gesetz nötig, oder es über- 
trägt das Gesetz diese Aufgabe einer Verwaltungsbehörde, indem es sie ermächtigt, von sich 
aus durch Verordnung, sogenannte Rechtsverordnung, jene Rechtssätze zu schaffen. 
Dann ist zwar zum Erlasse dieser Rechtsverordnung kein Gesetz, also auch nicht dessen Form, 
insbesondere auch nicht die Zustimmung der Volksvertretung erforderlich, wohl aber beruht 
die Kraft der Rechtsverordnung auf der gesetzlichen Ermächtigung, also auf Gesetz: Der Rechts- 
eingriff ist mittelbar gesetzlich fundiert. 
Genügt also Gesetz oder gesetzlich delegierte Rechtsverordnung für die Rechtswirksamkeit 
des Eingriffes in die Individualrechtssphäre, so reicht dafür bloße Verwaltungsbestimmung 
nicht aus. Sie wendet sich ja, wie schon ihr Name sagt, gar nicht an den einzelnen, sondern 
an die Verwaltungsbehörde. Diese bindet sie, weil in der Dienstgewalt der Behörde, von der 
sie erlassen wird, auch die Zuständigkeit zum Erlasse allgemeiner Befehle an die ihr untergeord- 
neten Behörden liegt. Solchen Verwaltungsverordnungen hat sich darum die 
  
1 Fleiner, Inst. d. deutsch. Verwaltungsr., 2. Aufl., 1912 S. 46. 
* Treffend Kriegsmann S. 120f. Fleiner a. a. O. S. 4/5. 
2 Siehe statt anderer Anschütz oben Bd. 3 S. 162.
	        
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