Gefängnisrecht und Recht der Fürsorgeerziehung. 83
Arbeit wieder der des Nachrichters, des, Meisters Peinlein' vergangener Tage angenähert sehen,
die anderen beschuldigen ihn der rückständigen Grausamkeit und bureaukratischen Verständnis-
losigkeit für neue Aufgaben und neue Probleme“ (Pollitzt).
Gegenüber diesen miteinander unvereinbaren Erwägungen der Strenge und der Humanität
ist es die Aufgabe der Zukunft, ein ausgebildetes Gefängnisrecht zu schaffen, das dem Rechts-
verhältnisse Gefangenschaft nach der Seite der Pflichten und Rechte des Staates wie des Ge-
fangenen klarere Gestaltung gibt. Damit wird dieser Teil des Strafvollzuges auch dem Wesen
des Rechtsstaates, in dem wir leben, angepaßt werden; ist ja doch „eine genaue Grenzziehung
zwischen Herrschaft und Freiheit"Thoma) eines seiner Kennzeichen.
Zum Schlusse sei besonders betont, daß, was hier an Forderungen für die Gestaltung
des Rechtsverhältnisses Gefangenschaft erhoben ist, wie angedeutet, zum guten Teil schon oft
aus Gründen der Gerechtigkeit oder Menschlichkeit oder aus allgemeinen Gründen des Staats-
wohles gefordert worden ist. Es ist freilich auch vieles davon dann wieder aus entgegengesetzten
Erwägungen des Gefühls usw. bestritten worden. Demgegenüber war es die Aufgabe, ohne
Rücksicht auf irgendein einzelnes positives Recht, unsere Forderungen aus
dem Charakter der Beziehungen von Staat und Gefangenen als rechtlich geregelten oder,
anders ausgedrückt, aus dem Charakter der Gefangenschaft als Rechtsverhältnis wissen-
schaftlich, d. i. einheitlich zu begründen und zu umgrenzen.
III. § 3. Zur Geschichte der Gefängnisstrafe.
a) Anfänge.
Jahrhunderte hindurch war die Geschichte der Freiheitsstrafe die Geschichte menschlicher
Grausamkeit. Nirgends vielleicht ist aber auch der Fortschritt der Kultur und die Möglichkeit
tünftiger Weiterentwicklung klarer als hier.
Wie dem Altertum überhaupt, so ist dem römischen Rechte Gefängnisstrafe als gesetzliches
Strafmittel grundsätzlich fremd (Mommsen, Röm. Strafr. 1899 S. 963). Der Kerker
dient der Verwahrung, nicht der Bestrafung (1. 8 59 D. de poen. 48, 19). Tgypisch ist das
Tullianum, ein etwa zwölf Fuß tiefes Steingewölbe, in das König Jugurtha und Lentulus, ein
Anhänger Catilinas, hinabgelassen wurden, jener, um durch Kälte und Hunger, dieser, um durch
Erdrosselung zu sterben. Auch die Kaiserzeit kennt formell keine kriminelle Freiheitsstrafe.
Aber ihre Zwangsarbeit war tatsächlich mit Hafthaltung verbunden.
Im germanischen Recht findet sich eine Fülle von Todesstrafen sowie von verstüümmelnden
und entehrenden Leibesstrafen. Freiheitsstrafe aber blieb ihm als Verbrechensfolge grund-
sätlich fremd. Noch im Mittelalter diente die Entziehung der Freiheit im allgemeinen nur als
Zwangs- oder als Sicherungsmaßregel, d. h. als Schuldhaft zur Herbeiführung einer Zahlung
oder als Untersuchungshaft zur Verhinderung der Flucht eines Angeklagten.
Erst die Bamberger und die Peinliche Halsgerichtsordnung verhängten 1507 und 1532 sowohl
Gefängnis für immer — ewiges Gefängnis —, als auch auf Zeit 8. Die Kerker, in denen die
Strafe in dieser Periode verbüßt wird, sind aber so ausschließlich den Zwecken der Abschreckung
und Unschädlichmachung dienstbar, daß tatsächlich die Einsperrung in die Enge, die
Feuchtigkeit und den üblen Geruch eines solchen Turmverließes oder Kellers mit qualvoller
Todesstrafe ziemlich gleichbedeutend ist. Die Freiheitsstrafe wird hier durch
die Art des Vollzuges zur Lebensstrafe. — „Wenn durch ewiges Gefängnis
des Delinquenten Leben geschont werden soll, muß das Gefängnis, so heißt es in Doeplers
Schauplatz der Leibes- und Lebensstrafen noch am Ende des 17. Jayrhunderts, nicht so grausam,
garstig und abscheulich sein, daß er durch Stank, Dampf und Unflat dort in wenigen Tagen das
Leben einbüßen muß .
t, Strafe u. Verbr. S. IV.
T a, Jahrb. d. öff. Rechts Bd. 4 S. 196 ff., 205 ff. Z
Bal. J. Kohlers u. W. Scheels Ausgabe der Carolina 1900 (s. die analyt. Registe:
G is“).
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