Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

86 Berthold Freudenthal. 
Dies um so mehr, weil es auch abschreckende Wirkung, wie sie ja vorher dem Strafvollzuge 
der Zeit eigen gewesen war, geübt hat und hat üben wollen. 
Wurde dies Tuchthuis wegen der in ihm vorzugsweise vollzogenen Arbeit des Raspelns 
von Farbhölzern, für die es 1602 geradezu einen „Gunstbrief“, d. i. ein Monopol, für ganz 
Holland und Westfriesland erhielt, als Rasphuis bezeichnet, so wurde das Weiberzuchthaus 
entsprechend als Spinnhaus die Beschäftigungsanstalt für müßige und bettelnde Frauenzimmer, 
bald aber gleichfalls auch für weibliche Kriminalverbrecher. Bezeichnend für den Charakter 
der Anstalt war das über der Außentür des Männerzuchthauses befindliche Bild eines von 
wilden Tieren gezogenen, mit Brasilienholz und Handwerksgerät beladenen Wagens, auf dem 
sich der die Peitsche schwingende Fuhrmann befindet, und darüber in goldenen Lettern der 
Spruch: „virtutis est domare quae cuncti pavent“. Am Weiberzuchthaus aber stand geschrieben: 
„Fürchte dich nicht! Ich räche nicht Böses, sondern zwinge zum Guten. Hart ist meine Hand, 
aber liebreich mein Gemüt.“ 
Schon 1603 wurde ein sogenanntes separates oder sekretes Zuchthaus als Sonderabteilung 
für die Söhne anständiger Bürger angegliedert, und hier hat, noch 100 Jahre früher als in 
dem bereits erwähnten S. Michele, bei Tagesgemeinschaftshaft nächtliche Trennung der Ge- 
fangenen in Einzelzellen bestanden. Seelsorge und Unterricht ergänzen die Erziehung, unter 
der übrigens wiederum die abschreckende Wirkung der Strafe keineswegs litt, so daß vielmehr 
die Müßiggänger und Bettler von Amsterdam an Zahl reißend zurückgingen. Schon 1613 
wurde von diesen viel besuchten und vielbewunderten Zuchthäusern, in denen zum ersten Male 
nicht ausschließlich die Furcht als Mittel verwertet war, geschrieben, „quam sit salutare huius 
carceris institutum et imitandum omnibus rebuspublicis“. 
Es fand denn auch wirklich bald Nachahmung, insbesondere bei uns in Deutschland, und 
es war nur natürlich, wenn bei der Enge der Verkehrsbeziehungen zwischen Holland und den 
Hansastädten diese unter den deutschen Städten vorangingen. 1604 ergeht vom Bremer 
Senat an den Chef der Amsterdamer Hafenpolizei die Bitte, ihm die Zuchthausordnung „tho 
einer Nachrichtung thokamen tho lahten“, worauf 1609 dann die Bremische Zuchthausordnung 
erging. 1613 folgte das Lübecker Zuchthaus. Spätestens 1622 trat das von Hamburg 
ins Leben, gleichfalls Amsterdam angelehnt, aber eine verbesserte Auflage. 
Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts sind in den verschiedensten Teilen Deutschlands 
weitere Zucht-, Raspel- und Spinnhäuser in großer Zahl entstanden, so daß schließlich im Jahre 
1786 nach C. E. Wächter in Deutschland wenigstens „in die 60 Zucht= und Arbeitshäuser“ be- 
standen. Das Zuchthaus der Stadt Berlin ist im Jahre 1712 endgültig errichtet 1. 
c) Rükksschlag. 
Die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeleitete Entwicklung zum besseren 
hat nicht angehalten. Die neugeschaffenen Zuchthäuser wurden ihrem Besserungszwecke vielfach 
entfremdet, indem Armen-, Waisen- und Irrenhäuser mit ihnen verbunden und gänzlich un- 
geeignete Elemente in sie ausgenommen wurden. 
Vor allem aber zieht noch im 17. Jahrhundert, unter dem verwildernden Einfluß des 
Dreißigjährigen Krieges, der ja nicht nur hierin das Land kulturell weit zurückwarf, der alte 
Geist der Peinigung in die Zuchthäuser wieder ein. Die Freiheitsstrafe wird wieder 
vom Vollzuge zur Leibes- und Lebensstrafe gemacht. Beides, Unschädlichmachung 
und Abschreckung, spiegelt als ein Beispiel die Münchener Zuchthausordnung von 1682 trefflich 
wieder, wonach der Gefangene „zu Buß, Arbeit und zu besserem Leben gebracht oder an einen 
solchen Ort gesetzt werden soll, wo er niemand mehr beschweren noch andere ver- 
führen kann“. Und weiter, es seien in ihm Personen, „welche nach ihrem Verschulden in 
Eisen und Banden bei geringer Atzung und schlechtem Lebensunterhalt mit harter Arbeit, Kar- 
batsch und Rutenzüchtigung oder in anderem Wege wohl empfindlich abgestraft und morti- 
fiziert werden“. An eine sittliche Hebung der Gefangenen war nicht mehr zu denken. Hie 
und da zechte und würfelte der Anstaltsgeistliche in der Schenkstube des Gefängnisses mit den 
1 Rosenfeld in Z. 26 S. 4 ff.
	        
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