Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Gefängnisrecht und Recht der Fürsorgeerziehung. 93 
b) Anstaltsarten. 
I. Vielfach wird nach dem Zwecke der Gefängnisse zwischen Zivil-, Polizei— 
und Kriminalgefängnissen unterschieden. Dabei sind unter Zivilgefängnissen die 
der Vollziehung von Straf= und Zwangshaft gegen Zeugen und Parteien dienenden Anstalten 
gemeint. Polizeigefängnisse nehmen Personen zu deren eigenem Schutz oder zur Aufrecht- 
erhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe auf. Kriminalgefängnisse endlich 
sind entweder als Untersuchungs- oder als Strafgefängnisse zu verstehen. Diese ganze Scheidung 
aber ist von geringem praktischem Werte, weil sie nicht durchgeführt wird: Statt in Zivil- 
gefängnissen wird die Straf= und Zwangshaft gegen Prozeßbeteiligte meist in Strafgefäng- 
nissen, die Untersuchungshaft vielfach in denselben Anstalten wie die vorläufige Festnahme 
vollzogen. « 
Dagegen lassen sich nach den Einlieferungsbezirken Landes-, Provinzial-, Be- 
zirks-, Kreis-, Ortsgefängnisse ufw. unterscheiden, wobei die Namen nicht 
überall die gleichen sind. Doch erfolgt die Einlieferung keineswegs bloß nach solchen geographi- 
schen, sondern auch nach Gesichtspunkten des Alters, der Konfession, der Vorstrafen, der Straf- 
dauer usw. 
Die wichtigste Einteilung ist die in Gefängnisse und Zuchthäuser oder, wie 
deren offizieller Name in Preußen lautet, Strafanstalten. Freilich kommt es vor, daß eine 
und dieselbe Anstalt sowohl Zuchthaussträflinge wie Gefangene beherbergt, wodurch im Urteil 
des Volkes leicht eine Verwischung des Unterschiedes beider Strafarten Platz greift. Es sind 
aber beispielsweise beim preußischen Ministerium des Innern jetzt im ganzen nur noch vier 
Anstalten vorhanden, die beide Strafen zugleich vollziehen. 
II. Für die Strafe der Haft besteht keine besondere Art von Anstalten. Sie wird viel- 
mehr in Gefängnissen verbüßt. Dagegen wird die Strafe der Festungshaft — als 
custodia honesta — in Festungen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollstreckt. 
III. Im Vordergrunde des Interesses steht die nach der Haftform gemachte Scheidung 
von Zell= und Gemeinschaftsanstalten. Jenen ist Einzelhaft bei Tag und 
Nacht, diesen Gemeinschaftshaft bei Tage mit regelmäßiger nächtlicher Trennung als Form 
der Strafverbüßung eigen. Die Zahl der Anstalten überwiegt aber, in denen sowohl Ein- 
richtungen für Einzelhaft wie Gemeinschaftsräume vorhanden sind. Denn einerseits sind auch 
in Zellgefängnissen Gemeinschaftsräume allein deshalb unentbehrlich, weil es überall Gefangene 
gibt, die nicht in Einzelhaft beschäftigt werden können. Anderseits können auch in Gemein- 
schaftsanstalten Zellen, vor allem aus psychischen und disziplinären Gründen, nicht ganz ent- 
behrt werden 7. 
Die ganze Frage der Zell- oder Gemeinschaftsanstalten steht im Zusammenhange mit 
den in unserem geltenden Recht anerkannten Vollzugsformen. Das Reichsstrafgesetzbuch nämlich 
hat bestimmt (s. oben S. 91), daß Zuchthaus- und Gefängnisstrafe, für die ganze Dauer wie 
für einen Teil, in Einzelhaft vollstreckt werden kann, derart, daß der Gefangene unausgesetzt 
von anderen Gefangenen gesondert gehalten wird. So besteht nebeneinander Vollstreckung 
in Gemeinschafts- und in Einzelhaft. 
Freilich sind in Preußen seit 1874 vom Ministerium des Innern alle neuen Anstalten 
nach dem System der Einzelhaft errichtet worden, und auch in den alten hat man die Einzel- 
zellen tunlichst vermehrt. Dabei ist der Grundsatz der, in Einzelhaft die Untersuchungshaft und 
einfache Strafhaft, ferner aber die Gefängnisstrafen, sowie bei Jüngeren und Erstmaligen auch 
die Zuchthausstrafe zu vollstrecken. Das hier zugrunde liegende Prinzip geht auf die uns be- 
kannte Initiative Friedrich Wilhelms IV. zurück (s. oben S. 90). Die Verwaltung 
des preußischen Justizministeriums hält seit langem, wie berührt, die gleiche 
Entwicklungsrichtung. In Baden ist Einzelhaft „für alle Strafhäuser, Straf- und Sträflings- 
arten durchgeführt außer für Kranke und Professionsdelinquenten" 2. Wstritemberg und Hessen 
haben die Einzelhaft gleichfalls mehr und mehr verwirklicht, während die bayerische Ent- 
Klein, S. 20. 
* E. v. Jagemann in 3. 34, 332 A. 4.
	        
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