102 $ 4. Der preuß. Einheitsstaat als konstit. Monarchie.
setzungen der Verfassung auf die Rechte und Attribute
der Krone mit denjenigen Beschränkungen, welche die
Stellung derselben zu den Kammern bedingt. Es ge-
hören zu diesen Rechten die alleinige Ausübun
der vollziehenden Gewalt, die Ernennung un
Entlassung der Minister, die Verkündigung und Aus-
führung der Gesetze, der Oberbefehl über das Heer, die
Besetzung aller Stellen in demselben und in den übrigen
Zweigen des Staatsdienstes, das Recht, Krieg zu erklären
und Frieden zu schließen, das Recht der Begnadigun
und Strafmilderung, die Verleihung von Orden un
anderen Auszeichnungen, sowie das Recht der Berufung,
Schließung, Vertagung und Auflösung der Kammern.“
Vorbildlich für den Traglichen Satz in Art. 45 S. 1
war übrigens nicht die belgische Konstitution, sondern
a. 13 charte const. vom 4. Juni 1814: „au roi seul appar-
tient la puissance executive.“
Nach Oktroyierung der Verfassung vom 5. Dezember
1848 wurde allerdings ın den Revisionskammern wiederholt
der Versuch gemacht, in den Verfassungstext eine neue
Vorschrift einzuschalten, welche auch für die angehende
konstitutionelle Periode den König förmlich zum Träger
des jus der Staategewalt erklärte — mit der Wirkung
freilich, daß dann in dieser Beziehung der $11I 13 A.L.R.
seine Bedeutung verloren hätte. Das Plenum der
II. Kammer beschloß die Verfassungsbestimmungen über
den König mit dem Ausspruch zu beginnen: „Der König
ist das Oberhaupt des Staats“, weil „ein Satz an die Spitze
ehöre, welcher die verschiedenen in der Verfassung ent-
Baltenen Attribute des Königs in einem Ausdruck be-
zeichne und das eigentliche Wesen der Monarchie mit
Bestimmtheit ausspreche.“ Die I. Kammer fand jedoch
in diesem Ausspruch das Bedenken, daß derselbe der
mißverständlichen „Idee Raum geben könne, als ob die
Übertragung der Öberhauptswürde an den König erst
jetzt vertragsmäßig festgesetzt würde“, und meinte, „daß
schon die Überschrift des Titels ‚vom Könige‘ voll-
kommen klar mache, wie die Oberhauptsfrage bei uns
geregelt ist“. Sie strich daher, um nur ja keinen Zweifel
egen das Verbleiben des Hohenzollernkönigs in der
Stellung als Staatsoberhaupt, d. b. als alleiniger Träger
der Staatsgewalt, aufkommen zu lassen und demnach die
gesetzliche Fortdauer des $ 1 II 13 A.L.R. mit bejahend,
jenen Satz der Il. Kammer aus dem Verfassungstext, und
etztere gab sich schließlich damit zufrieden, da der frag-
liche Ausspruch „auch ohne besondere Aufnahme in die
Verfassung im Bewußtsein des Volks lebe und durch
den Gedanken der constitutionellen Monarchie unwandel-
bar darin erhalten werde“. Ebensowenig Glück hatten