104 $ 4. Der preuß. Einheitsstaat als konstit. Monarchie.
göttlich und natürlichen Geboth“ ab: „denn dieses will
alle pacta, mithin auch gedachte leges fundamentales,
welche nichts anderes als spevies capitulationis vel con-
ventionis publicae sind, he ie und unverbrüchlich ge-
halten wissen“. Wegen ihrer Vertragsnatur sollten leges
fundamentales auch nur auf dem gleichen vertragsmäßigen
Wege, auf welchem sie zustande gekommen, beseitigt
werden können.
Die moderne, mit der französischen Revolution auf
dem europäischen Kontinent anhebende „constitu-
tionelle* Bewegung verlangte nun an sich die kodifika-
torische Zusammenfassung aller materiell fundamentalen
Staatseinrichtungen in einer einzigen Urkunde (Kon-
stitutions- oder Verfassungsurkunde), und indem sie die
letztere vor den sonstigen Rechtschöpfungsakten mit
dem Ausdruck „Staatsgrundgesetz“ auszeichnete, ver-
langte sie gleichzeitig für die Abänderung der Be-
stimmungen des „Staatsgrundgesetzes® einen er-
schwerten modus procedendi. Hierdurch erhielt das
eine „constitutionelle Verfassung“ einführende Staats-
grundgesetz naturgemäß auch in formeller Hinsicht
einen Vorzug vor den übrigen Bestandteilen der Rechts-
ordnung. Auch in Preußen wollte man, als der Über-
gang zur konstitutionellen Monarchie ins Auge gefaßt
ward, von vornherein dem Begriff des „formellen Staats-
grundgesetzes“ gerecht werden. Sowohl der Regierungs-
verfassungsentwurf vom 20. Mai 1848 wie der Ver-
fassungsentwurf der Kommission der N.V. verlangte
für „ein die Verfassung abänderndes Gesetz“ Zwei-
drittel-Majorität in jeder Kammer. Hierin wich dann
freilich die Verfassung vom 5. Dezember 1848 ab, da
Art. 106 — jedoch sicher nur zur Erleichterung der
vorbehaltenen Revision — sagte: „Die Verfassung
kann auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung
abgeändert werden, wobei in jeder Kammer die ge-
wöhnliche absolute Stimmenmehrheit genügt.“ Erst die
rev. V. schrieb, eingedenk des Begriffs des „formellen
Staatsgrundgesetzes“, wiederum vor Art. 107: