$ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 119
liche Erlasse mit Gesetzeskraft“ inhaltlich „Normen
für die Rechtshandlungen der Unterthanen und die Ent-
scheidungen der Gerichte“ voraus'. Und wenn es
daneben als direkten Gegensatz die „bloßen“, „landes-
herrlichen Anweisungen an Behörden“ erwähnte, so
wollte es damit doch nicht behaupten, daß der Landes-
herr nur in der Form interner Dienstanweisungen zu
seinen Behörden spreche — und konnte es selbst nicht
um der in ihm nachwirkenden landrechtlichen Tradition
willen, da das :A.L.R. doch in den Dienern des Staates
spezifisch einen bestimmten Stand der an sich gerade
mit der potestas legislatoria erfaßbaren Untertanen-
schaft sah ($ 2, 3, II 10, $ 6, 7, I 1) bzw. in denjenigen
gesetzlichen Bestimmungen, welche auf Statuierung
von Amtsrechten und Amtspflichten spezifisch ab-
gestellt waren, ebenfalls nur Normierungen über das
„materielle Recht“ einer bestimmten Gliederung der
Untertanenschaft erblickte. Die Materialien’zum Gesetz
vom 3. April 1846 setzen übrigens die Ausdrücke
„Promulgation“ und „Publikation“ einander völlig gleich
und verstehen Jarunter „den Act, durch welchen der
Landesherr der bürgersichen Gesellschaft eine Aller-
höchst vollzogene Bestimmung als Gesetz zur. Be-
obachtung kundgibt“. AusHardenbergs Ideen zueiner
landständischen Verfassung in Preußen August 1819)
ist aber charakteristisch:
„Sind die Stände (mit einem Gesetzentwurf) ein-
verstanden oder genehmigen ihn mit Modifikationen, so
geht er an den König zurück. Nur durch königliche
anktion kann der Entwurf zum Gesetz erhoben werden.
Er kann sie zu jeder Zeit ganz versagen oder Anderungen
zur neuen Erwägung vorstellen.“
Das im vorstehenden nachgewiesene Fortwirken
des landrechtlichen Gesetzesbegriffes auch zur Zeit
der zum preußischen Einheitsstaat gewordenen Hohen-
I) Verwaltungsarchiv XIII, S. 472.