Full text: Preußisches Staatsrecht.

136 $ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 
Gewalt, in dieser ihrer Eigenschaft Darlehns- und 
Bürgschaftsgeschäfte zu Lasten des Staates abzu- 
schließen. Eine konkrete, im „Wege der Gesetzgebung“ 
selbst bewirkte Durchbrechung dieses (Gebotes und 
damit des allgemeinen Rechtszustandes muß aber not- 
wendig als echter Ausfluß der legislativen Gewalt an- 
gesehen werden. Nicht durch eine von König und Volks- 
vertretung gemeinsam ausgehende Dienstanweisung 
an die geschäftsführenden verantwortlichen Minister, 
sondern durch eine wahre (Individual-) Rechtsnorm wird 
die Ermächtigung zum Abschluß des Darlehns- und 
Bürgschaftsgeschäfts konstituiert. Es sind folglich 
die bloßen Etatsgesetze allein, welche aus dem Rahmen 
des im Art. 62 vorausgesetzten Gesetzbegriffes heraus- 
fallen. 
Da dem König in Ansehung der zustande kommenden 
Gesetze gerade allein und ausschließlich die Sanktion, 
die Erteilung des Gesetzbefehls, zukommt, erscheint 
er gegenüber der auf dem Gebiet des exercitium der 
potestas legislatoria mitwirkenden V olksvertretung auch 
in der konstitutionellen Periode als der eigentliche 
„Gesetzgeber“. Indessen sofern die gegenseitige 
Wertung der einzelnen, die preußische Rechtsordnung 
bildenden Rechtssätze in Betracht kommt, hat der 
König als Einzelperson aufgehört, der spezi- 
fische Gesetzgeber des preußischen Einheits- 
staates zu sein: als solcher erscheinen hier angesichts 
des Art. 62 König und Volksvertretung in ihrem Zu- 
sammenwirken. Doch stellt der Art. 62, indem er zu 
„jedem Gesetz“ das Zusammenwirken von König und 
Volksvertretung verlangt, nur ein Prinzip auf, „eine 
unerläßliche Regel alles verfassungsmäßigen Lebens“, 
und die Verfassung hat selbst über die Durchbrechungen 
des Prinzips positive Anordnungen getroffen. Dabei 
tritt im Text der Verfassung ein Unterschied zwischen 
den Ausdrücken „Gesetz“ und „Verordnung“ hervor,
	        
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