Full text: Preußisches Staatsrecht.

8 81. Entstehung des hohenzollernschen Gesamtstaates: 
vernommen und Sie darin gewilligt“, ausdrücklich die 
casus necessitatis vor, „alß in welchen Wir und Uns. 
Nachkommen uns. getr. St. einrath und Bewilligung 
nicht erfordern können“. Nach dem Großen Kurfürsten 
inhärierte jeder Rechtsordnung als selbstverständlicher 
Bestandteil die Klausel: „Not kennt kein Gebot“, und 
was er daher bei einer „unumgänglichen und gesetz- 
losen Not, womit uns Gott als einer wohlverdienten 
Landplage belegt“, ausführe, sei „denen privilegiis und 
Gerechtigkeiten des Landes oder denen von dem Herrn 
darüber gegebenen Versicherungen nicht entgegen und 
zuwider, vielmehr denenselbigen und allen. Rechten ge- 
mäß“. Zum Schutz der ständischen Freiheiten gegen 
die einseitigen landesherrlichen Notmaßregeln hielt sich 
der Große Kurfürst nur zur Ausstellung von assecura- 
tiones de non praejudicando für verpflichtet. Die 
preußischen Stände waren freilich mit diesen Re- 
gierungsgrundsätzen, welche der Große Kurfürst nach 
erlangter Anerkennung seines Souveränitätsrechts 
reichlich betätigte, übel zufrieden. Sie protestierten, 
daß der Kurfürst einseitig ohne ihre Zustimmung über 
die Frage eines casus necessitatis befinde, und nannten 
die assecurationes de non praejudicando, welche zur 
Wahrung der durch die landesherrlichen Notmaßnahmen 
verletzten Privilegien gegeben seien, „ein solch re- 
medium, so schädlicher ist als die Krankheit selbst“. 
Doch konnte sich der Große Kurfürst bald stark genug 
fühlen, über der Stände „großes Wehklagen und 
Winseln über ihre Freiheit“ hinwegzusehen. Äußersten- 
falls half eben rücksichtslose Anwendung der allein 
vom Fürsten abhängigen militärischen Macht, und den 
Ständen blieb nur übrig, „die mit überhäuften Thränen 
vermischte Dinte so lange zu gebrauchen, bis sie durch 
Gott von S. Ch. D. werden erhöret werden“. Nur ver- 
stohlen wagte die preußische Ritterschaft anno 1674 
auf eine etwaige Hilfe von Polen hinzudeuten:
	        
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