$ 8. Die Rechte der Preußen. 163
des Verfassungsgesetzgebers zu beachten und nur in
der Form des verfassungsändernden Gesetzes (Art. 107)
ist ein Abgehen davon statthaft. Andererseits haben
richterliche und vollziehende Gewalt nur unter strenger
Wahrung des von Verfassung und Gesetz gesteckten
Rahmens an die fraglichen garantierten Ausflüsse der
individuellen Freiheit heranzutreten.
Die einzelnen Grundrechte der Preußen
bestehen in dem:
1. Anspruch eines jeden Preußen auf gleichmäßig-
gerechte Behandlung, wie sie den übrigen V olksgenossen
zuteil wird, durch die Gesetzgebung und die Organe
der vollziehenden und richterlichen Gewalt (Art. 4).
Die Verfassung dachte nicht daran, „alle im Leben
faktisch bestehenden und aus der Mannigfaltigkeit der
Bildung, des Berufs und der Beschäftigung sich er-
gebenden Verschiedenheiten der bürgerlichen Gesell-
schaft“ durch die Proklamierung des „Grundsatzes der
bürgerlichen Gleichheit“ auszutilgen (N.V., S. 1818 f.),
Auch der gewöhnlichen Gesetzgebung ist, wenn sie
den einzelnen Teilen der bürgerlichen Gesellschaft die
notwendigen rechtlichen Ordnungen gibt, nicht die
Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenswirklich-
keiten versagt. Aber der Satz: „Alle Preußen sind vor
dem Gesetz gleich“ gibt der Gesetzgebung die all-
gemeine Direktive, im Gegensatz zur Vergangenheit
„das preußische Volk fortan als ein einiges Volk
Gleichberechtigter“ zu behandeln und nicht mehr als
„ein Konglomerat verschiedener“, rechtlich verschieden
gewogener Stände. Dem Prinzip der „qualitativen
Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung Aller vor
dem Gesetz“ wird sodann besondere Wahrheit durch
die Aussprüche verliehen: a) daß „Standesvorrechte
nicht stattfinden“, und b) daß „die öffentlichen Ämter
unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten