8 8. Die Rechte der Preußen. 173
lichen Frieden stören, so würde sie sich vergeblich gegen
die repressiven Maßregeln der Staatsgewalt auf die Frei-
heit berufen, weil eine Religion, welche sich ein solches
Ziel setzt, keinen Anspruch auf den öffentlichen Schutz
hat, und weil in der Gewissensfreiheit das Recht, ge-
wissenlos zu handeln, nicht enthalten ist;* b) Art 14: „Die
christliche Religion wird bei denjenigen Einrichtungen
des Staates, welche mit der Religionsübung im Zusammen-
hange stehen, unbeschadet der im Art. 12 gewährleisteten
Religionsfreiheit, zum Grunde gelegt.“ amit ist den
nichtchristlichen Religionsbekenntnissen eine gleiche Be-
rücksichtigung versagt. Übrigens bezweckt, wie schon
hervorgehoben, der Art. 14 — nach der ausdrücklichen
Erklärung des Antragstellers Abg. v. Viebahn — wesent-
lich nur den staatlichen Schutz der christlichen Feste.
Die Art. 15, 16, 18 sind durch Gesetz vom 18. Juni
1875 aufgehoben. Sie lauteten Art. 15: „Die evangelische
und die römisch-katholische Kirche, sowie jede andere
Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre An-
gelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß
er für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeits-
zwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds.“
Art. 16: „Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit
ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung
kirchlicher Anordnungen ist nur denjenigen Beschrän-
kungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffent-
lichungen unterliegen.“ Art. 18: „Das Ernennungs-, Vor-
schlags-, Wahl- und Bestätigungsrecht bei Besetzun
kirchlicher Stellen ist, soweit es dem Staate zusteht un
nicht auf dem Patronat oder besonderen Rechtstiteln
beruht, aufgehoben. Auf die Anstellung von Geistlichen
beim Militär und an öffentlichen Anstalten findet diese
Bestimmung keine Anwendung.“ Im Anschluß an die
Befreiung der Bildung neuer Religionsgesellschaften von
dem positiven Erfordernis besonderer Staatsgenehmigung
(Art. 12) wurde hierdurch allen Religionsgesellschaften,
insbesondere aber der evangelischen und der römisch-
katholischen Kirche für die Zukunft die Selbstverwaltung
ihrer eigenen Angelegenheiten (mit Einschluß der Rechts-
normierung) in Freiheit von einer positiven Teilnahme
von seiten der Staatsregierung gewährt. Demgemäß
wurden alle Kautelen beseitigt, welche den Verkehr der
Religionsgesellschaften mit ihren Oberen einer positiven
Beteiligung staatlicher Organe unterstellten, sowie die
positive vom Staat kraft der allgemeinen Staatshoheit
und nicht bloß kraft des Patronatsrechts oder besonderer
Rechtstitel (z. B. auf Grund besonderen Übereinkommens
mit dem Papst; vgl. Bulle de salute animarum vom
16. Juli 1821; Breve Quod de fidelium vom 16. Juli 1821)