Full text: Preußisches Staatsrecht.

$ 9. Das konstitutionelle Königtum. 189 
Art. 54 „leistet“ der neue König bei erlangter Voll- 
jährigkeit (vollendetem 18. Lebensjahr) „in Gegenwart 
der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbnis, die 
Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich 
zu halten und in Übereinstimmung mit derselben und 
den Gesetzen zu regieren“. Das „eidliche“ Gelöbnis 
verlangt ein unter Anrufung der Gottheit erfolgendes 
Versprechen, ohne daß bisher eine bestimmte F'ormel 
sakramental wäre; es genügt dabei schon das bloße 
„ich schwöre“ ohne ausdrücklichen Gebrauch des gött- 
lichen Namens. Das „eidliche* Gelöbnis des neuen 
Königs bekräftigt übrigens nur seine entsprechende, 
bereits vom Moment des Kronerwerbes datierende 
Verpflichtung. Eine Gelöbnisverweigerung ist eine 
.Verfassungswidrigkeit, die aber an und für sich nicht 
den Verlust der Trägerschaft der Staatsgewalt bewirkt, 
vielmehr die Kammern nur berechtigt, sich an die ver- 
antwortlichen Minister zu halten. Immerhin können 
infolge einer Gelöbnisverweigerung tatsächliche Ver- 
hältnisse eintreten, daß Grund zu der Annahme vor- 
liegt, der König sei „dauernd verhindert, selbst zu 
regieren“; alsdann tritt Regentschaft nach Art. 56 ein. 
Der in die freigewordene Stelle des Trägers. der 
Staatsgewalt einrückende Hohenzoller ist als solcher 
nicht auch Zivilerbe des letzten T'hroninhabers; er 
setzt nur des letzteren Herrscherpersönlichkeit fort. 
Was der letzte Throninhaber vermöge seiner Herrscher- 
persönlichkeit nach Verfassung und Gesetz getan, 
kann von seinem Nachfolger nicht schon wegen einer 
höchst persönlichen Andersmeinung darüber annulliert 
werden. 
Der einmal gemachte Kronerwerb ist an sich 
lebenslänglich; doch kann der König auf die Triäger- 
schaft der Staatsgewalt einseitig verzichten. Der Ver- 
zicht muß, um rechtswirksam zu sein, vollständig und 
unbedingt erfolgen. Daher ist selbst Verzicht in der
	        
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