Full text: Preußisches Staatsrecht.

308 8 10. Die verantwortlichen Minister. 
De 
pflicht. Auch die Ernennung und Entlassung von 
Ministern muß ohne ministerielle Gegenzeichnung für 
gültig erachtet werden, wenn sich nämlich kein dazu 
fähiger und bereiter Minister findet; der neu zu er- 
nennende Minister kann jedenfafls seinen Ernennungs- 
akt nicht selbst rechtsgültig kontrasignieren, da man, 
um kontrasignieren zu können, bereits rechtsgültig 
Minister geworden sein muß. Das Ministeramt ist an 
sich mit dem Beruf eines Volksvertreters nicht in- 
kompatibel. Es kann ein Minister durch königliches 
Vertrauen ins Herrenhaus oder durch Volkswahl ins 
Abgeordnetenhaus berufen werden, und alsdann hat er 
volles Stimmrecht (Art. 60, S.3). Aber auch von einem 
‚ Mitgliedschaftsrecht in der Volksvertretung abgesehen, 
gibt die Verfassung den Ministern sowie den zu ihrer 
Vertretung abgeordneten Staatsbeamten das Recht auf 
Zutritt zu jeder Kammer und auf jederzeitiges Gehör 
darin (Art. 60, S. 1). Damit ist ein organisches Zu- 
sammenwirken zwischen Staatsregierung und Volks- 
vertretung leicht ermöglicht: „Die Minister als frei- 
gewählte Organe der Krone sowie deren Stellvertreter 
müssen, sagen die Motive der Verfassungskommission 
der N.V., jeden Augenblick imstande sein, die Inter- 
essen der Krone innerhalb der Kammern geltend zu 
machen.“ Innerhalb der Volksvertretung dürfen sich 
die Minister als an sich selbständige königliche Funk- 
tionäre bewegen — freilich belastet mit der eigenartigen 
parlamentarischen Verantwortlichkeit. Der parlamen- 
tarischen Disziplinargewalt unterliegen sie, von einem 
Mitgliedschaftsrecht in der Volksvertretung abgesehen, 
nicht. Doch darf der Präsident des Hauses auch den 
sprechenden Minister behufs geschäftsleitenler Be- 
merkungen unterbrechen. 
Die Minister sind befreit von der gewöhnlichen 
disziplinellen Verantwortlichkeit der Beamten, wohl 
aber haften sie für Zivil- und Strafunrecht nach dem
	        
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