Full text: Preußisches Staatsrecht.

& 10. Die verantwortlichen Minister. 209 
gemeinen Zivil- und Strafrecht. Die Verantwortlichkeit 
gegenüber dem Monarchen findet ihren Ausdruck in 
dessen Recht, den Minister jederzeit zu entlassen. Ein 
Charakteristikum der Ministerstellung ist aber die be- 
sondere Verantwortlichkeit gegenüber der Volks- 
vertretung. Dieselbe ist keine bloß politische, sondern 
eine rechtliche und wird auch durch die Berufung auf 
einen Spezialbefehl des Königs nicht ausgeschlossen. 
Sie begreift andererseits auch die Zweckmäßigkeits- 
frage der Regierungshandlungen. Sie ist einmal eine 
allgemeine, insofern die Kammern das Wächteramt 
„über die Handhabung der Verfassung“ (I. K., S. 1232) 
und überhaupt über die Wahrung der Rechtsordnung 
im Staat (vgl. Art. 54?, 58') zu verwalten und demgemäß 
einen Anspruch auf Erteilung der geforderten Auskunft 
oder Rechtfertigung haben'). Ein rechtliches Mittel 
zur Durchsetzung dieser allgemeinen Verantwortungs- 
pflicht gibt der Art. 60, S.2, wonach „jede Kammer die 
Gegenwart der Minister verlangen kann“: Gegenwart 
bedeutet hier nicht „stummes Dabeisitzen, sondern 
Beteiligung an den Verhandlungen“. Einer Berufung 
auf das durch die Geschäftslage geforderte Schweigen 
kann gegebenenfalls durch Ausschluß der parlamen- 
tarischen Öffentlichkeit (Art. 79) begegnet werden. 
Neben dieser allgemeinen Verantwortungspflicht der 
Minister gibt es auch eine spezielle, insofern nämlich, 
als eine Reihe von Verfassungsartikeln eine un- 
bedingte Pflicht der Minister zur Auskunftserteilung 
und Rechenschaftsablage statuiert: so Art. 81, S. 3 
„über eingehende Beschwerden“; ferner Art. 9 bei 
Feststellung „aller“ Einnahmen und Ausgaben des 
Staates im Staatshaushaltsetat; Art. 104 bei nachträg- 
licher Genehmigung von Etatsüberschreitungen und bei 
Prüfung der Rechnungen über den Staatshaushaltsetat 
ı) Vgl. Motive bei Rauer, $, 134. 
Hubrich, Preußen, 14
	        
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