$ 11. Die Volksvertretung. 217
Kammer kann ohne deren Genehmigung während der
Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten
Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet
werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im
Laufe des nächstfolgenden Tages nach derselben er-
griffen wird“ (Art. 3, S. 2). 4. „Jedes Strafverfahren
gegen ein Mitglied der Kammer und eine jede Unter-
suchungshaft wird für die Dauer der Sitzungsperiode
aufgehoben, wenn die betreffende Kammer es verlangt“
(Art. 84, S. 4; das Strafvollstreckungsverfahren
ist aber nicht gemeint). 5. Ebenso muß während der
Sitzungsperiode auf Verlangen der betreffenden Kammer
die Zivilhaft gegen ein Mitglied unterbleiben (35 %%4,
905 R.Z.P.O.). 6. „Beamte bedürfen keines Urlaubs zum
Eintritt in die Kammer“ (Art. 78). Darunter sind nur die
„unmittelbaren“ und „mittelbaren“* Staatsbeamten des
preußischen Rechts gemeint. Die Verfassung erteilt
denselben für die Dauer der vom König angeordneten
Tagung der Volksvertretung unmittelbar gesetzlichen
Dispens von ihren Amtsverpflichtungen, und daher be-
darf es von ihrer Seite „zum Eintritt in die Kammer“
nur einer Anzeige an den nächsten Dienstvorgesetzten;
zur Tragung der Stellvertretungskosten dürfen sie
nicht herangezogen werden.
Mit Rücksicht auf die gesonderte Tagung der beiden
Kammern verleiht die Verfassung jeder Kammer
folgende besonderen Attribute:
1. Die Prüfung der Legitimation ihrer Mitglieder
und die Entscheidung darüber (Art. 78). Die II. Kammer
kann hierbei wohl dem vom Wahlkommissar als gesetz-
mäßig gewählt Proklamierten die Anerkennung versagen
und dadurch eine Neuwahl veranlassen, aber nicht den
Gegenkandidaten als berechtigtes Mitglied einberufen.
2. Die Wahl des Präsidenten, der Vizepräsidenten und
der Schriftführer (Art. 78). 3. Die Regelung ihres Ge-
schäftsgangs und ihrer Disziplin durch eine Geschäfts-