228 $ 12. Der Staatedienst.
In Ansehung der Staatsämter unterscheidet das kon-
stitutionelle Staatsrecht Preußens zwei große Gruppen:
Richterämter und nichtrichterliche Ämter, und dem-
entsprechend gibt es auch zwei große Beamten-
kategorien: die zum Richterstande und die nicht zum
Richterstande gehörigen Staatsbeamten (Art. 8). Die
Richterämter umfassen an sich die Geschäfte der eigent-
lichen richterlichen Gewalt; im übrigen wird ihre
Ordnung, die „Organisation der Gerichte“, nach der
Verfassung „durch das Gesetz bestimmt“ (Art. 89),
ebenso die Grenzziehung für ihre Zuständigkeit gegen-
über den Verwaltungsbehörden:
Art. 96: „Die Kompetenz der Gerichte und Ver-
waltungsbehörden wird durch das Gesetz bestimmt. Über
Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltungs- und
Gerichtsbehörden entscheidet ein durch das Gesetz be-
zeichneter Gerichtshof.“ Eine gesetzliche Regelung sah
auch in Verfolg des Grundgedankens von Art. 89 der
Art. 91 für einige durch besondere Verhältnisse geforderte
Gerichte vor: „Gerichte für besondere Klassen von An-
gelegenheiten, insbesondere Handels- und Gewerbegerichte,
sollen im Wege der Gesetzgebung an den Orten errichtet
werden, wo das Bedürfnis solche erfordert. Die Organisa-
tion und Zuständigkeit solcher Gerichte, das Verfahren
bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die be-
sonderen Verhältnisse der letzteren und die Dauer ihres
Amtes werden durch das Gesetz festgestellt.“
Seit 1849 wurden für die landrechtlichen und gemein-
rechtlichen Gebietsteile Preußens als Gerichte erster
Instanz in Städten mit mehr als 50000 Einwohnern Stadt-
gerichte (unter einem Präsidenten), im übrigen Kreis-
Gerichte (unter einem Direktor) eingerichtet. Innerhalb
er Kreisgerichtsbezirke konnten Einzelgerichte (Gerichts-
kommissionen), im Bedarfsfalle auch mit drei Richtern
besetzte Kollegialgerichte (Gerichtsdeputationen) errichtet
werden. Als Gerichte zweiter Instanz fungierten die un-
efähr für jeden Regierungsbezirk bestehenden ÖOber-
andesgerichte fortan unter dem Titel „Appellations-
erichte“. Als Gericht höchster Instanz fungierte das
bertribunal in Berlin. Im Gebiet des rheinischen Rechts
blieb die bisherige Gerichtsverfassung ; der in dieser Hin-
sicht als oberste Instanz fungierende Revisions- und
Kassationshof in Berlin wurde aber gemäß Art. 92 V.
(„eg soll in Preußen nur ein oberster Gerichtshof be-
stehen“) durch Gesetz vom 17. März 1852 mit dem Ober-