Full text: Preußisches Staatsrecht.

30 81. Entstehung des hohenzollernschen Gesamtstaates. 
Pflege. Man stützte sich dabei auf die durchaus grund- 
lose Geschichtshypothese, daß die deutschen Reichs- 
stände bereits nach Erlöschen des Karolingischen 
Herrscherhauses souverän geworden seien, und lehrte, 
ein jeder Reichsstand habe die wahren Majestätsrechte 
ursprünglich und weder aus des Kaisers noch aus des 
gesamten Reiches Verleihung. Selbst nachdem die 
wissenschaftliche Kritik die absolute Unhaltbarkeit 
jener Geschichtshypothese dargelegt hatte, nannte 
gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts noch Suarez das 
Deutsche Reich ein „Staaten-System“ oder eine „Con- 
föderation“, „durch die Verbindung mehrerer, an und 
für sich unabhängiger Staaten zur Erreichung ge- 
wisser gemeinschaftlicher Endzwecke (z. B. zur ge- 
meinschaftlichen Verteidigung gegen alle auswärtigen 
Feinde, zur gemeinschaftlichen Verwaltung der Justiz 
usw.) begründet“. Zur Pflege dieser, der Bildung eines 
souveränen hohenzollernschen Gesamtstaates ent- 
schieden günstigen Theorie kamen dann einzelne posi- 
tive Maßnahmen des Hohenzollernkönigtums, welche 
den Einfluß der Reichsgewalt auf die hohenzollernschen 
Reichsterritorien durchaus ausschlossen. Bereits für 
die Kurlande seit der Goldenen Bulle (1356) im Besitz 
eines unbeschränkten privilegium de non appellando et 
de non evocando, erwarb das Hohenzollernkönigtum 
auch für seine übrigen Reichsterritorien vom Kaiser 
Leopold I. am 16. Dezember 1702 ein zunächst bis zu 
2500 Goldgulden beschränktes privilegium de non 
appellando. Dabei ordnete König Friedrich 1., als er 
auf Grund des Privilegs zur Bestellung eines Ober- 
appellationsgerichts in Berlin schritt, ausdrücklich an, 
die Jurisdiktion des O.A.G. so weit auszudehnen, „als 
der sensus des kaiserlichen Privilegiums nur einiger 
Gestalt erleiden will“. Zwar schlug sodann der von 
König Friedrich Wilhelm I. gleich bei Beginn seiner 
Regierung gemachte Versuch, durch interne Verhand-
	        
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