Full text: Preußisches Staatsrecht.

g 2. Das Staatsrecht des Allgemeinen Landrechte. 49 
Privilegien- und Dispensationsbegriff ergibt, den’ Be- 
griff des Individualgesetzes, welches einen einzelnen 
Tatbestand als besondere Einheit für sich erfaßt und 
selbständig ordnet. Die Geltung des Gewohnheitsrechtes 
führte man gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch im 
hohenzollernschen Gesamtstaat auf einen stillschweigen- 
den Konsens des Gesetzgebers zurück. Das A.L.R. 
erweist sich aber dem Gewohnheitsrecht nicht sonder- 
lich geneigt. 
Es nahm überhaupt allgemeinem Gewohnheitsrecht, 
das es selbst nicht übernommen, die verbindliche Kraft 
und schloß die Bildung von neuem allgemeinen Gewohn- 
heitsrecht aus. Das partikuläre Gewohnheitsrecht der 
einzelnen Provinzen und Gemeinheiten sollte in die da- 
mals geplanten Provinzialgesetzbücher aufgenommen 
werden und nur in dieser Form als gesetztes Recht Gel- 
tung behalten ($ 3 Einl). Da jedoch in der Folge nur 
zwei Provinzialrechte zustande kamen, das ostpreußische 
1801 und 1802 und das westpreußische 1844, so war unter 
der Herrschaft des A.L.R. die Lage des Gewohnheits- 
rechts folgende: 1. In den Gebieten des nach dem A.L.R. 
kodifizierten Provinzialrechts konnte eine neue sich bil- 
dende Observanz — d. h. partikuläres Gewohnheitsrecht, 
welches im Gegensatz zum Provinzialgewohnheitsrecht 
sich unter den Teilnehmern einer gewissen Gemeinheit, 
einer bestimmten Klasse, eines bestimmten Inbegriffs von 
Personen an einem bestimmten Orte oder in einem größeren 
Distrikt bildete — wirksam sein, a) wenn das Provinzial- 
gesetzbuch selbst darauf verwies, und zwar dann sogar 
contra legem; b) zur Ausfüllung einer Lücke des Pro- 
vinzialgesetzbuchs, wenn auch das subsidiäre A.L.R. keine 
entgegenstehende Bestimmung enthielt. 2. In den Ge- 
bieten des nach dem A.L.R. nicht kodifizierten Provinzial- 
rechts galt das partikuläre Gewohnheitsrecht mit Ein- 
schluß der für die betreffende Provinz in Betracht kommen- 
den Observanzen fort, sowie es zur Zeit des Inkrafttretens 
des A.L.R. bestand. Eine Neubildung war jedoch nur 
bei Observanzen unter der Voraussetzung gestattet, daß 
entweder das A.L.R. selbst darauf verwies (dann auch 
contra legem) oder etwas unentschieden gelassen hatte 
(behufs Ausfüllung der Lücke). 
Des Königs Person, bei welcher alle Majestäts- 
rechte, insbesondere das der Gesetzgebung, vereinigt 
ruhten, galt „logischerweise“ an sich von den eigenen 
Hubrich. Preußen. 4
	        
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