Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XIX. Enteignungs-Gesetz. 1025 
festzustellen und abzuschätzen. Der abgeschätzte Schaden ist, vorbehaltlich dessen 
anderweiter Feststellung im Rechtswege, den Betheiligten (Eigenthümer, Nutz- 
nießer, Pächter, Verwalter) sofort auszuzahlen, widrigenfalls der Ortsvorstand 
auf den Antrag des Betheiligten die Fortsetzung der Vorarbeiten zu hindern 
verpflichtet ist. 
Zum Betreten von Gebäuden und eingefriedigten Hof= oder Gartenräumen 
bedarf der Unternehmer, insoweit dazu der Grundbesitzer seine Einwilligun 
nicht ausdrücklich ertheilt, in jedem einzelnen Falle einer besonderen Erlaubni 
der Ortspolizeibehörde, welche die Besitzer zu benachrichtigen und zur Offen- 
stellung der Räume zu veranlassen hat. 
Eine Zerstörung von Baulichkeiten jeder Art, sowie ein Fällen von Bäumen 
ist nur mit besonderer Gestattung des Bezirks-Ausschusses zulässig. 
§. 6. Dassjenige, was dieses Gesetz über die Entziehung und Beschränkung 
des Grundeigenthums bestimmt, gilt auch von der Entziehung und Beschränkung 
der Rechte an Grundeigenthum . 
Titel II. Von der Entschädigung. 
§. 7. Die Pflicht der Entschädigung liegt dem Unternehmer ob. Die 
Entschädigung wird in Geld gewährt. Ist in Spezialgesetzen eine Entschädigung 
in Grund und Boden vorgeschrieben, so behält es dabei sein Bewenden ?. 
§. 8. Die Entschädigung für die Abtretung des Grundeigenthums besteht 
in dem vollen Werthe des abzutretenden Grundstücks, einschließlich der ent- 
eigneten Zubehörungen und Früchte . 
  
  
  
  
  
  
1) Hierunter sind nur dingliche Rechte zu verstehen. 
2) Bergl. §. 15 des Chaussee-Reglements für die Mark 21. Mai 1796; A. L. 
R. I. 9, §. 271, II. 15, §§S. 17—20. 
) Vergl. die Ausführungen in Anm. 3 zu S. 1. 
Für Abmessung des Werthes ist nicht die Benutzungsart, sondern die Benutzungs-= 
sähigkeit des zu enteignenden Grundstückes entscheidend, unter Ausscheidung bloß un- 
sicherer Hoffnungen, Erk. R. G. 28. Nov. 1882 (Pr. V. Bl. IV. 238); 27. Nov. 
1886 (E. Civ. XVII. 163). 
Die Verwerthbarkeit eines Grundstückes als Bauplatz muß nach den bestehenden 
Konjunkturen in naher und bestimmter Aussicht stehen, Erk. R. G. 24. Okt. 1882 
(E. Civ. VIII. 214). 
Die thatsächliche Regulirung einer Straße genügt dazu, Erk. R. G. 21. Sept. 
1882 (E. Civ. VII. 262). Vergl. über den Einfluß eines Bebanungsplanes auf die 
Werthbemessung, Erk. R. G. 18. Aug. 1882 (E. Civ. VIII. 238); 27. Nov. 1886 
(E. Civ. XVII. 163). 
Bei der Frage der Benutzungsfähigkeit ist der Werth besonderer Bodenbestand- 
theile (Lehm, Torfs) zu berücksichtigen, Erk. R. G. 3. Dez. 1884 und 8. Mai 1885 
(Pr. V. Bl. VI. 160, 400). 
Maßgebend für die Bemessung der Entschädigung ist die Beschaffenheit des Grund- 
stücks zur Zeit der Entscheidung des Bezirks-Ausschusses über die Entschädigung nach 
6. 29, Erk. R. G. 17. März 1891 (E. Civ. XXVII. 263). 
Ueber den Anspruch auf Zinsen vergl. Erk. R. G. 11. Mai 1880 (I. 349). 
Bei Enteignung eines Grundstücks mit einem wenig einträglichen Gebäude kann 
der Eigenthümer zwischen dem Werth des Grundstücks nach seiner jetzigen Benutzungs- 
art oder dem Werth der als solcher besser auszunutzenden Baufläche wählen, Erk. 
R. G. 1. April 1891 (Pr. V. Bl. XII. 426). 
Bei der Abschätzung eines geeigneten Miethsgrundstücks, in dem der 
Eigenthümer bis zur Enteignung ein Geschäft betrieben hat, für das er, um es in 
gleich vortheilhafter Weise als bisher, trotz der örtlichen Verlegung der Geschäfts- 
lokalität, betreiben zu können, ein im Miethspreise theureres Geschäftslokal 
miethen muß, als der objektive Miethswerth der früheren Geschäftsräume war, ist, 
nach einem Erk. R. G. 4. Nov. 1893 im Gebiete des preußischen Rechts diese 
Differenz dem berechneten objektiven Jahresertrage des enteigneten Grundstücks 
zuzuschlagen. Auch ist die Gewährung einer besonderen Entschädigung für die 
infolge der Enteignung nothwendig gewordenen Geschäfts-Umzugs= und Ein- 
richtungs-Kosten prinzipiell nicht auszuschließen. 
Illing-Kaustz, Handbuch I, 7. Aufl. 65
	        
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