Abschnitt XX.
ßau- und Fener-Polizei.
Gesetz.), betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen
und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften?).
Vom 2. Juli 1875 (G. S. S. 561).
§. 1. Für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen?)
in Städten und ländlichen Ortschaften sind die Straßen= und Baufluchtlinien)
vom Gemeindevorstande im Einverständnisse mit der Gemeinde, bezüglich deren
—.
1) Kommentar von Friedrichs, Berlin 3. Aufl. 1894.
2) Vorschriften für die Aufstellung von Fluchtlinien= und Bebauungsplänen,
28. Mai 1876 (M. Bl. S. 131). Zur Benennung von Straßen mit Namen, die
auf die Allerhöchste Person oder Glieder des Kgl. Hauses Bezug haben, bedarf es
Allerhöchster Genehmigung, K. O. 3. Juli 1874 und Res. 16. Jan. 1894 (M. Bl. S. 33).
3) Das Gesetz beschäftigt sich nur mit öffentlichen Straßen und Plätzen. Die
Anlegung einer Privatstraße, d. h. einer Straße, die der Verfügungsgewalt des Eigen-
thümers unterliegt und dem öffentlichen Verkehr entzogen ist oder entzogen werden
kann, unterliegt keiner Fluchtlinienfestsetzung, E. O. V. XIX. 368; XX. 225. Da-
gegen genügt es, wenn die öffentliche Straße auch nur auf einer Seite anbaufähig
ist, E. O. V. XIV. 401. Es kann sogar ausnahmsweise ein dem inneren Verkehr
dienender Weg als Straße anzusehen sein, obgleich eine Bebauung der angrenzenden
Grundstücke nach den gegebenen Verhältnissen unmöglich ist, z. B. Wege, die die
innere Stadt durch Promenaden und Gärten hindurch mit den Vorflädten verbinden,
E. O. V. XXIV. 81. Schiffbare Wasserstraßen und Häfen find niemals Glieder des
Straßennetzes, E. O. V. XXIII. 365. Begriffsbestimmung der sog. hbistorischen
Straßen, vergl. E. O. V. IX. 318; XIV. 398; XV. 147; XVIII. 382; XIX.
368; XX. 223; XXIV. 81. Sie müssen den Charakter von Straßen im Sinne
dieses Ges. tragen, also einestheils nicht bloße Privatstraßen sein, anderestheils dem
Verkehr innerhalb der Ortschaften und dem Anbau dienen.
4) Die Festsetzung von Fluchtlinien ist nicht unbedingt vorgeschrieben und ein
nachgesuchter Baukonsens darf nicht allein um deswillen versagt werden, weil eine
dem Ges. 2. Juli 1875 entsprechende Festsetzung von Baufluchtlinien für das zu
bebauende Terrain noch nicht stattgefunden hat, Erk. O. V. G. 2. Juni 1877 (C. O.
V. II. 362). Vergl. E. O. V. XIV. 403. Der Bauunternehmer hat aber keinen
Anspruch darauf, daß Beschränkungen der Baufreiheit, welche erst nach Einbringung
des Baugesuches in Kraft treten — insbesondere eine erst dann erfolgte Festsetzung
der Fluchtlinien — bei Beurtheilung seines Unternehmens außer Anwendung bleibe.
Es gilt dies auch, wenn die Festsetzung der Fluchtlinie erst während des vor den Ver-
waltungsgerichten wegen Verweigerung des Baukonsenses eingeleiteten Verfahrens
erfolgt, Erk. 16. Okt. 1879 (E. O. V. V. 3760). Indessen ist die Fluchtlinienfest.
setzung vor Anlegung oder Veränderung von Straßen die Regel. Sie ist namentlich
da erforderlich, wo die Polizeibehörde von der Gemeinde die Anlegung einer neuen,
thatsächlich noch nicht vorhandenen Straße verlangt, E. O. V. XIV. 275, der Ver-