Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

1104 Abschnitt XXI. Privatwegegerechtigkeiten. 
§. 8. Durch willkürliche Veränderungen in der Gestalt, Hauptbestimmung oder 
Nutzungsart seines Grundstücks kann Niemand den Andern zu dergleichen Ein- 
schränkungen verpflichten. Z„ 
§. 63. Gebahnter Fußsteige 1 auf offenen Feldern kann ein Jeder sich bedienen. 
S. 64. Hat aber der Eigenthümer den gemeinen Gebrauch solcher Fußsteige 
durch Gräben, Kreuze, Schlagbäume, oder andere dergleichen Merkmale untersagt, so 
kann nur derjenige, welchem eine besondere Vergünstigung eingeräumt worden, davon 
Gebrauch machen. 
§. 65. Wer das Recht hat, über das Grundstück des Andern zu gehen, darf 
sich dessen weder zum Reiten, noch zum Fahren, auch nicht mit einrädrigen Karren 
bedienen. 
§. 66. Wer aber das Recht hat, auf einem Wagen zu fahren, darf auch darauf 
reiten, mit Karren fahren und Vieh an Stricken darüber führen:). 
s. 67. Dagegen folgt aus der Befugniß, über des Andern Grundstück zu 
fahren, noch nicht das Recht, Vieh darüber zu treiben. 
§. 68. Eben so wenig folgt aus der Befugniß, über des Andern Grundstück 
Vieh zu treiben, ein Recht über dasselbe zu fahren. 
#§. 69. Aus der Wegegerechtigkeit folgt noch nicht die Befreiung von Damm- 
oder Brückengeld, oder andern Abgaben der Durchreisenden. 
§. 70. Wem das Recht, über ein fremdes Grundstück zu gehen, zu reiten oder 
zu fahren, zukommt, der muß sich genau auf dem bestimmten Wege halten, und darf 
unter keinerlei Vorwande Nebenwege suchen. 
§. 71. Dagegen kann er sich, wenn sein Recht nicht auf einen gewissen be- 
stimmten Zweck ausdrücklich eingeschränkt 3) ist, des Weges zu allen seinen Bedürfnissen 
ohne Unterschied, nicht aber zu ganz neuen Aulagen (§. 8) bedienen. 
. 72. Wer das Recht des Viehtriebes hat, muß solchen dergestalt einrichten, 
daß das Vieh durch Uebertreten oder sonst keinen Schaden verursache. 
§. 73. Verzäunungen aber oder andere Verrückungen ist der Berechtigte auf 
seine Kosten anzulegen, oder zu unterhalten, nicht verbunden ). 
§. 74. Will der Besitzer des belasteten Grundstücks dergleichen bisher von ihm 
unterhaltene Anstalten wieder eingehen lassen, so ist der Berechtigte zum Widerspruche 
dagegen nicht befugt; und muß dennoch die nach §. 72 ihm obliegende Verbindlich- 
keit beobachten. 
#§. 75. Wenn jedoch der zum Viehtriebe eingeräumte Weg nicht die erforder- 
liche Breite hat (FJ. 79), und daher von dem Besttzer des belasteten Grundstücks bis- 
her, zur Verhütung des Uebertreteus, solche Anstalten unterhalten worden: so ist 
7oa Wehlghter, dieselben wider den Willen des Berechtigten eingehen zu lassen, 
nicht befugt. 
  
1) Das Gehen über einen städtischen öffentlichen Platz gewährt an sich keinen 
verjährungsfähigen Besitz zur Erwerbung einer Fußwegegerechtigkeit, Pr. O. Trib. 
23. Sept. 1845 (E. XIII. 161). Ebenso wenig erwirbt ein Grundbesitzer, welcher 
sich, wie Jedermann, eines über das Grundstück eines Andern führenden Weges 
bedient, den Besitz einer Wege= Servitut als eines subjektiv dinglichen Rechtes seines 
Grundstücks, Pr. O. Trib. 28. Febr. 1856 (E. XXXII. 36). Aus der Beuutzung 
eines dem Publikum überhaupt geöffneten Privatfußweges ist auf einen dem §. 82 
I. 7 entsprechenden animus sibi habendi nicht zu schließen; die bisherige Benutzung 
berechtigt demnach nicht zu dem Antrage auf Schutz im Possessorienprozesse, Erk. O. 
Trib. 28. April 1856 (Str. Arch. XX. 355). 
Das Publikum eines Ortes ist unfähig, ein öffentliches Durchgangsrecht durch 
Verjährung zu erwerben, Pr. O. Trib. 22. Sept. 1831 (Simon, Rechtssprüche IV. 289). 
2) Wer Vieh führen darf, ist nicht berechtigt, mit der Karre zu fahren, deunn nur 
bei gleichartigen Rechten berechtigt das Größere zum Geringeren, Erk. O. Trib. S8. Mai 
1847 (Rechtsfälle aus der Praxis des O. Trib. I. 109). 
3) Wem z. B. der Weg zu Ackerfuhren eingeräumt ist, der darf ihn nicht zur 
Abfuhr von Steinen brauchen, Erk. O. Trib. 10. Juni 1848 (Rechtsfälle aus der 
Praxis des O. Trib. IV. 164). 
") Hierdurch ist die Befugniß des Berechtigten, Verzäunungen auf seine Kosten 
anzulegen, nicht ausgeschlossen, sobald die Umzännung den Belasteten nicht beschwerr, 
Erk. O. Trib. 5. Okt. 1858 (E. XXXIX. 171).
	        
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