1178 Abschnitt XXIV. Vorfluths-Gesetz.
Wasserstandes durch gültige Verträge, Verleihungen oder rechtsverjährten Besitz
bestimmt sei, so muß die Sache zur Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren
vor den Kreis- (Stadt-) Ausschuss verwiesen, das Verfahren jedoch vorzüglich
beschleunigt werden!). Findet es sich hierbei, daß keine klaren Bestimmungen
des Wasserstandes vorgelegt werden können, so setzen die Kommissarien den-
selben dergestalt fest:), daß dabei das gegenseitige Interesse der Bodenkultur
und des Müllers oder sonstigen Stauberechtigten möglichst vereinigt werde, und
gegen eine Festsetzung auf diesem Grunde finden keine Beschwerden bei den
Gerichten, sondern Klage bei dem Kreis- (Stadt-) Ausschusse statt.
S. 6. Dem Kreis- (Stadt-) Ausschusse bleibt jedoch unbenommen, während
der Dauer der erwähnten verwaltungs-gerichtlichen Erörterung interimistisch
einen Wasserstand festzusetzen, welchen der Müller oder sonstige Stauberechtigte
lulange halten muß, bis ein anderes durch die definitive Entscheidung fest-
gesetzt ist.4
§. 7. Von welchem Tage ab und bis zu welchem Tage hin bloß der
niedrige Sommerwasserstand gehalten werden darf, bestimmen zunächst Verträge
und rechtliche Erkenntnisse, wenn diese vorhanden sind, nächst diesen die Pro-
vinzialgesetze. Ist keine solche Bestimmung vorhanden, so liegt den Kommissa-
rien ob, von wann ab und bis wohin nur der Sommerwasserstand gehalten
werden dürfe, nach den örtlichen Verhältnissen festzusetzen. Auf jeden Fall
muß in dem über die Verhandlung aufzunehmenden Protokolle ausdrücklich
vermertt. fein, von wann ab und bis wohin der Sommerwasserstand gehalten
werden soll.
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Zu Anmerkung 3 auf S.-1177.
stützt sich darauf, daß das Vorfluthsgesetz zur Förderung der Bodenkultur erlassen ist
und daß sich in demselben nirgends Bestimmungen zur Normirung des Verhältnifses
zweier Nutzungsberechtigten finden, welche über die Benutzung des Wassers mit ein-
ander in Streit gerathen sind. Nur im Interesse des oberhalb liegenden Stauberech-
tigten und Grundbesitzers ordnet das Gesetz die Setzung des Merkpfahles an, wodurch
— abgesehen von dem Interesse der Schiffahrt — die Höhe des zulässigen Wasser-
standes festgestellt werden soll. Das Interesse des unterhalb liegenden Stauberechtigten,
welcher auf Benutzung des Wassers Anspruch macht, wird durch die Setzung eines
Merkpfahls, wenigstens der Regel nach, nicht wahrgenommen. Sollte dies der Fall
sein, so müßte der Merkpfahl im Unterwasser gesetzt werden).
Dagegen Res. des Min. für landw. Ang. 11. März 1850 (M. Bl. S. 69):
Nach §. 1 des Vorfluthsgesetzes kann jeder, der durch den Rückstau eines
Stauwerks leidet, auf Setzung des Merkpfahls antragen, also auch der oberhalb
belegene Müller.
Es können also auch Wegebaupflichtige und sonst bei Erhaltung der Straße
betheiligte Personen wegen des derselben durch Rückstau drohenden Schadens auf
Setzung eines Merkpfahls antragen, Res. 6. Mai 1863 (M. Bl. S. 167).
Die polizeiliche Festsetzung des Wasserstandes soll nach §§. 4 und 5 nicht die
Regel bilden, vielmehr nur ausnahmsweise und als letztes Hilssmittel da eintreten,
wo klare Bestimmungen über den Wasserstand weder in rechtskräftigen Urtheilen, noch
durch das Einverständniß der Interessenten bereits vorliegen, noch bei obwaltenden
Streitigkeiten der Interessenten, durch gerichtliche Entscheidung erlangt werden können.
Es folgt hieraus, daß bei Rechtsstreitigkeiten über die Höhe des Wasserstandes
nur den Gerichten die Entscheidung gebührt, — und daß also augenscheinlich die in
8. 5 namhaft gemachten Fälle, in welchen einer der Streitenden sich auf „Vertrag,
Verleihung oder Verjährung“ beruft, nur beispielsweise, und nicht zur Beschränkung
der gerichtlichen Komperenz angeführt sind, Erk. Komp. G. H. 14. Sept. 1848 (J.
M. Bl. S. 439).
1) Setzen die Kommissarien den Merkpfahl, ohne diese Bestimmung zu berück-
sichtigen, so wird dadurch eine rechtsverbindliche Feststellung der Höhe des Wasser-
standes nicht herbeigeführt, E. K. XI. 277.
2) Nach pflichtmäßigem Ermessen, E. K. X. 236. „Bodenkultur“ ist eine der
Land wirthschaft zufallende Aufgabe. Die Ausbeutung einer Lehmgrube zu Ziegelei-
zwecken ist keine die Bodenkultur fördernde Thätigkeit, E. O. V. XXVIII. 280.