Abschnitt XXIV. Vorfluths-Gesetz. 1183
*7 12. Diese Verpflichtung kann selbst bis auf gänzliche Wegräumung
vou Wassermühlen ausgedehnt werden, sobald nach Ermessen des Kreis- (Stadt.)
Ausschusses der Zweck anders nicht zu erreichen ist, der Müller aber vollständig
entschädigt, auch der Gegend Ersatz für ihr Interesse bei Erhaltung der Mühle
geleistet werden kann.
§. 13. Auch da, wo keine künstlichen Hindernisse des Abflusses vorhanden
sind, kann jeder Grundbesitzer verlangen, daß ihm Abwässerungsgräben!) durch
kremden Boden zu ziehen gestattet werde, sobald die vorerwähnten Bedingungen
attfinden.
st §. 14. Selbst zu Ablassung von Teichen und stehenden Seen kann unter
gedachten Bedingungen G. 11) die Gestattung der Vorfluth erfordert werden,
und wird in soweit eine Ausnahme von dem entgegenstehenden Gesetz, A. L.
R. Th. I. Tit. 8 S. 117, nachgegeben.
§. 15. Besitzer von Grundstücken, welche sich des auf ihren Ländereien
stehenden:) Wassers entledigen wollen und deshalb nicht gütlich mit den zur
Stauung Berechtigten oder andern Grundbesitzern einigen können, müssen von
ihrem Vorhaben dem Kreis- (Stadt-) Ausschusse Anzeige machen, nachweisen,
welchen Vortheil sie von dem Ablassen des Wassers erwarten, und darthun,
daß korzsnelte Mittel haben, die wahrscheinliche Entschädigung ohne Verzug
u bezahlen.
r ⅛ 16. Auf diesen Antrag wird zugleich vom Kreis- (Stadt-) Ausschusse
eine Lokaluntersuchung) durch sachkundige Kommissarien verfügt, welche aus-
mitteln:
a) wodurch der Zweck des Grundbesitzers am leichtesten erreicht werden könne?
p) ob durch die beabsichtigte Entwässerung nicht andere Grundbesitzer leiden,
1) Vergl. Ges. 23. Jan. 1846, betr. die Entwässerungsanlagen unten S. 1199.
Ueber die Voraussetzungen, unter denen die Ziehung eines Abwässerungsgrabens
über fremde Grundstücke beansprucht werden kann, vergl. Erk. 28. Nov. 1881 (CE. O.
B. VIII. 217). Wird die Vorfluth nicht auf Grund des §. 13, sondern auf Grund
eines Separationsrezesses beantragt, so entscheidet gemäß §. 205 Vd. 20. Juni 1817
(G. S. S. 161) der ordentliche Richter, Erk. 17. Nov. 1890 (Pr. V. Bl. XII. 279).
2) Inwieweit kommt gegenüber dem Einwande, daß der Antragsteller bei ord-
nungsmäßiger Erhaltung oder der entsprechenden Erweiterung der auf dem eigenen
Grundstücke bereits vorhandenen Anstalten dasselbe trocken legen könne, die Entgegnung
in Betracht, die Entwässerung für gleichwohl leichter und zweckmäßiger unter In-
anspruchnahme fremden Eigenthums zu bewirken? Vergl. Erk. 8. Jan. 1885 (E.
O. V. Xl. 263). Das Vorfluthsrecht ist eine Art von Enteignungsrecht; es tritt
nicht in Wirksamkeit, wenn die Entwässerung ohne Kränkung der Eigenthumerechte
Dritter durchführbar ist, z. B. auf Grund einer Rezeßbestimmung, Erk. 2. Febr. 1891
(Pr. V. Bl. XII. 280).
Die Entschädigung über die Gewährung der Vorfluth und über die Art der Aus-
führung gebührt sowohl bei stehenden Seen und Teichen, wie auch bei anderen der
Ableitung bedürftigen Gewässern den Verwaltungsbehörden, unter Ausschluß des
Rechtsweges, Erk. 11. Febr. 1860 (J. M. Bl. 1861 S. 127).
Der §. 15 begreift auch den Fall in sich, wenn die beabsichtigte Entwässerungs-
aulage nicht mittelst eines ganz neuen Wasserlaufes hergestellt werden soll, sondern
nur die Erweiterung eines bereits bestehenden Wasserlaufes in Frage kommt, Erk.
23. Febr. 1878 (E. O. V. III. 226).
Ein Grundbesitzer, welcher sich des auf seinen Ländereien stehenden Wassers ent-
ledigen will, ist nur dann, wenn durch Ziehung eines Grabens auf seinem Grund
und Boden ein neuer Wasserlauf über das Grundstück des Nachbars erforderlich wird,
genöthigt, das in den §§. 15 ff. angeordnete Verfahren bei der Provinzial-Polizei-
behörde zu beantragen, Erk. O. Trib. 11. Febr. 1859 (Striieth. Arch. XIIX. 1).
Kann ein Grundstück mittels vorhandener Anlagen, die in ordnungsmäßiger Be-
schaffenheit erhalten werden, von der schädlichen Nässe befreit werden, so kommt §. 15
nicht zur Anwendung, wenn auch die Entwässerung über fremdes Eigenthum leichter
und zweckmäßiger ist, E. O. V. XI. 268. v
3) Die Betheiligten sind zuzuziehen, sonst leidet das Verfahren an einem wesent-
lichen Mangel, Erk. 13. Jan. 1887 (Pr. V. Bl. VIII. 201).