Abschnitt XXIV. Deichwesen. 1225
Wer diesem Verbote zuwider handelt, soll polizeilich nicht nur mit einer
Geldbuße bis zu 150 Mark bestraft, sondern auch, wenn es erforderlich ist, zur
Wiederherstellung des früheren Zustandes angehalten!) werden.
Auf Schutzmaßregeln, welche in Nothfällen für die Dauer der Gefahr ge-
troffen werden, finden diese Vorschriften keine Anwendung.
§. 2. Vor Ertheilung der Genehmigung (. 1) hat der Bezirksausschuss)
nach seinem Ermessen in erheblicheren Fällen die Betheiligten zu hören.
Ist es ungewiß, welche Personen als betheiligt zu betrachten sind, so kann
der Bezirksausschuss2) eine öffentliche Aufforderung mit der Verwarnung erlassen,
daß diejenigen, welche sich binnen der zu bezeichnenden Frist nicht gemeldet
haben, mit späteren Einwendungen nicht mehr gehört werden sollen.
Eine solche Aufforderung ist zweimal in die Amtsblätter des Regierungs-
Bezirks einzurücken, und in den betreffenden Gemeinden auf die ortsübliche
Weise bekannt zu machen.
§. 3. Die Genehmigung zu einer Anlage, Verlegung oder Erhöhung
(§. 1) ist zu versagen, wenn nach dem Urtheile des Bezirksausschusses das noth-
wendige Abflußprofil des Hochwassers dadurch beschränkt werden würde.
§. 4. Ist ein schon vorhandener, zum Schutz der Ländereien mehrerer
Besitzer dienender Deich ganz oder theilweise verfallen oder durch Naturgewalt
zerstört, so kann der Bezirksausschuss fordern, daß derselbe nach seiner An-
weisung, bis zu derjenigen Höhe und Stärke wieder hergestellt werde, welche
er früher gehabt hat.
Auch ist der Bezirksausschuss berechtigt, in Ansehung der Deiche dieser
Art, diejenigen Maßregeln vorzuschreiben, welche erforderlich sind, um deren
Erhaltung in ihrem bisherigen Umfange und Zustand zu sichern.
S. 5. Der Bezirksausschuss ist ermächtigt, diejenigen, welche den Deich
zu Shalien oder wiederherzustellen verpflichtet sind, hierzu durch Exekution
anzuhalten.
§. 6. Ist es ungewiß oder streitig, wer zur Unterhaltung oder Wieder-
herstellung des Deiches verpflichtet sei, so kann der Bezirksausschuss die
Leistungen interimistisch von demjenigen fordern, welcher den Deich seither
unterhalten hat, oder wenn dieser unbekannt oder nicht leistungsfähig ist, von
denjenigen Grundbesitzern, deren Grundstücke nach dem Ermessen der Behörde
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Zu Anmerkung 3 auf S. 1224.
und auch nicht bloß auf große Binnen= und Niederungsflüsse, welche wiederholt und
regelmäßig zu bestimmten Jahreszeiten anwachsen und eine gewisse Fläche Land über-
schwemmen, sondern auch auf Gebirgswässer, wenn dieselben zeiweise, wenn auch in
größeren Zeitabschnitten, jedoch mit einer gewissen Regelmäßigkeit, aus ihren Ufern
teten und eine gewisse Strecke Landes unter Wasser setzen.
Unter den Deichen oder ähnlichen Erhöhungen, von denen im §. 1 die Rede ist,
sind nicht bloß aus Erde bestehende, technisch richtig hergestellte dammähnliche Vor-
richtungen, sondern überhaupt alle, seien es natürliche, seien es künstliche — mittelst
Erde, Stieinen oder Holz hergestellte — Erhöhungen, welche dammähnlich, gleich wie
ein Damm ihrer örtlichen Lage nach dem Andringen des Wassers entgegenstehen und
die Ausbreitung desselben beschränken, zu verstehen, Erk. 30. März 1885 (E. K. V.
341). Eine Beschränkung ist schon dann vorhanden, wenn die Erhöhung der Erd-
oberfläche einen Baum bedeckt, den sonst das aus den Ufern tretende Wasser einnimmt,
Erk. 10. März 1892 (E. O. V. XXIII. 250).
Zu den ohne Genehmigung der Kgl. Regierung unzulässigen Erhöhungen
der Erdoberfläche im Inundationsgebiet eines Flusses kann auch ein Zaun
gebören. Hat die Polizeibehörde dessen Beseitigung verfügt, so steht dem Eigen-
thümer kein Anspruch auf Emschädigung wegen Eingriffs in die Freiheit seines
Grundeigenthums zu, indem die durch §. 1 oben eingeführte Beschränkung den Cha-
rakter einer gesetzlichen Servitut an sich trägt, Erk. Rh. A. G. H. 1. Juni 1859
(Nö. A. LV. I. 10).
1) Die Ortspolizeibehörden sind zur materiellen Durchführung des F. 1 nicht
befugt, Erk. 8. Okt. 1885 (E. O. B. XII. 321), Zust. Ges. §. 96. Zuständig ist
vielmehr der Regierungspräsident als Landespolizeibehörde, E. O. V. XIX. 307; im
Geltungsbereiche des Ges. 11. April 1872 der Landrath, E. O. V. XVI. 331.
„) §. 96 Zust. Ges. Die Beschwerde geht an den Minister für Landwirthschaft.
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