Abschnitt I. Verfassung des Deutschen Reichs. 19
Artikel 66. Wo nicht besondere Konventionen ein Anderes bestimmen?),
ernennen die Bundesfürsten, beziehentlich die Senate die Offiziere ihrer Kon-
tingente, mit der Einschränkung des Artikels 64. Sie sind Chefs aller ihren
Gebieten angehörenden Truppentheile und genießen die damit verbundenen
Ehren. Sie haben namentlich das Recht der Inspizirung zu jeder Zeit und
erhalten, außer den regelmäßigen Rapporten und Meldungen über vorkommende
Veränderungen, Behufs der nöthigen landesherrlichen Publikation, rechtzeitige
Mittheilung von den die betreffenden Truppentheile berührenden Avancements
und Ernennungen. ... .
Auch steht ihnen das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht bloß ihre
eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch alle andern Truppentheile des
Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten dislocirt sind, zu requiriren.
Artikel 67. Ersparnisse an dem Militär-Etat fallen unter keinen Um-
ständen einer einzelnen Regierung, sondern jederzeit der Reichskasse zu?).
Artikel 68“). Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem
Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären.
Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und
die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten dafür
die Vorschriften des Preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (G. S. für
1851 S. 451 ff.) 7).
Schlußbestimmung zum XI. Abschnitt.
Die in diesem Abschnitt enthaltenen Vorschriften kommen in Bayern nach
näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 (B. G.
Bl. 1871 S. 9) unter III. §. 5, in Württemberg nach näherer Bestimmung
der Militärkonvention vom 21./25. November 1870 (B. G. Bl. 1870 S. 658)
zur Anwendung.
XII. Reichsfinanzen.
Artikel 69. Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für
jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden.
Letzterer wird vor Beginn des Etatsjahress) nach folgenden Grundsätzen durch
ein Geses festgestellt.
Artikel 70. Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen
zunächst die etwaigen Ueberschüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen,
den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post= und Telegraphen-
wesen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen). Insoweit dieselben durch diese
Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, so lange Reichssteuern nicht einge-
führt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer
Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrages
durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden.
1) Solche Konventionen sind mit allen Bundesstaaten abgeschlossen worden, mit
Bayern durch Vertr. 23. Nov. 1870; vergl. Laband Bd. II S. 520ff.
2) Art. 67 findet auf Bayern und Württemberg keine Anwendung; vergl. III.
8. 5 Vertr. 23. Nov. 1870 und Art. 12 Mil. Konv. 21./25. Nov. 1870.
3) Wegen Bayern vergl. III. §. 5, VI a. a. O. und §. 7 Ges. 22. April 1871
(R. G. Bl. S. 89).
4) Vergl. Einf. Ges. 31. Mai 1870 (B. G. Bl. S. 195) §. 4; Mil. Str. G.
B. 20. Juni 1872 (R. G. Bl. S. 175) §. 9; für Elsaß-Lothringen Ges. 30. Mai
1892 (R. G. Bl. S. 667), betr. Vorbereitung des Kriegszustandes.
12 Dieses läuft vom 1. April bis 31. März, Ges. 29. Febr. 1876 (R. G. Bl.
1).
6) Gemäß §. 8 Ges. 15. Juli 1879 (N. G. Bl. S. 207) — clausula Franken-
stein — ist der die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahre übersteigende
Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe
der Bevölkerung, mit der sie zu den Matrikularbeiträgen herangezogen werden, zu
überweisen. Weitere Ueberweisungen ordnen das Reichsstempelges. 27. April 1894
(R. G. Bl. S. 381) und das Branntweinsteuerges. 24. Juni 1887 an.
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