Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz §. 11. 329 
achtzebnten!) Lebensjahre zwei Jahre lang ununterbrochen seinen gewöhn- 
lichen Aufenthalt gehabt hat, erwirbt dadurch in demselben den Unterstützungs- 
wohnsitz. 
§. 11. Die zweijährige Frist läuft von dem Tage, an welchem der 
Aufenthalt begonnen ist. 
Durch den Eintritt in eine Kranken-, Bewahr-:) oder Heilanstalt wird 
jedoch der Aufenthalt nicht begonnen ). 
Wo für ländliches oder städtisches Gesinde, Arbeitsleute, Wirthschaftsbeamte, 
Pächter oder andere Miethsleute") der. Wechsel des Wohnorts zu bestimmten, 
durch Gesetz oder ortsübliches Herkommen festgesetzten Terminens) stattfindet, 
—„ – 
Zu Anmerkung 4 auf S. 328. 
18. Nov. 1876 (W. VIII. 9) und die Erk. bei W. VIII. 10—16; XIV. 2 ff. und 
XVII. 6. Vergl. die Anm. zu §. 13. 
In Sachen Attendorn gegen Rohde nahm das Bundesamt an, daß N., welcher 
im Hause des Rentmeisters Sch. zu Schnellenberg (Gemeinde Attendorn) die Arbeit 
eines Knechtes oder ständigen Tagelöhners verrichtete und in Schnellenberg auch die 
Nächte zubrachte, dort gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des §. 10 gehabt habe, ob- 
gleich er seine Familie auswärts wohnen ließ und dieselbe häufig besucht hatte, Erk. 
8. Dez. 1873 (W. IV. 5). 
Bei Personen, welche nicht an dem Aufenthaltsorte ihrer Familie im Dienste 
stehen, kommt es auf die thatsächlichen Umstände, vornehmlich darauf an, an welchem 
Orte der Mittelpunkt ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit ist. In zwei 
Fällen, wo ein Postillon an dem einen Ort im Dienste stand, am anderen Orte aber 
seine Familie und auch seine Wirthschaft hatte, erachtete das Bundesamt diesen 
zweiten Ort für unterstützungspflichtig, Erk. 16. März und 2. Sept. 1878 (W. X. 4—6). 
Der Mangel eines sesten, auf lange Zeitdauer geschlossenen Arbeitsvertrages ist 
nicht geeignet, einen Aufenthalt von thatsächlich längerer Dauer zu einem kurz vor- 
übergehenden zu stempeln, Erk. 5. Okt. 1878 (W. X. 7). 
Handlungsreisende, welche an dem Wohnort ihres Prinzipals keine feste Wohnung 
haben, sondern nur von Zeit zu Zeit nach jenem Orte kommen und dann in einem 
Gasthofe wohnen, haben dort nicht ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Sinne des 
#§. 13, selbst wenn sie an jenem Orte besteuert sind und dort Sachen in Verwahrung 
gegeben haben, Erk. 17. März 1883 (W. XV. 1). 
Die auf öffentlichem Recht beruhende Verpflichtung eines Orts-Armenverbandes 
und die durch Vertrag übernommene Verpflichtung zur Fürsorge für denselben Armen 
können nebeneinander bestehen. Die §§. 10, 22, 64 des Ges. stehen der Gültigkeit 
eines Reverses, durch den letztere Verpflichtung übernommen wird, nicht entgegen, 
Erk. R. G. 21. Okt. 1889 (Rassow u. Künzel XXXIV. 835). 
1) Art. 1, II. Ges. 12. März 1894. 
2:) Hierher gehören auch solche Anstalten, in die der aufzunehmende aus eigener 
freier Entschließung eintritt, z. B. Hospitäler, Siechen-, Idioten-, Blindenanstalten, 
W. XI. 9; XII. 3; XIV. 9; XVI. 3; auch ein Asyl für entlassene weibliche Sträf- 
linge, welches auch unbestrafte Gefallene weiblichen Geschlechts aufnimmt, um sie zu 
eiuer-. geordneten sittlichen Lebensweise zurückzuführen, W. XII. 1; XXII. 10; 
XXIV. 2. 
2) Der bereits begonnene Lauf der zweijährigen Frist der ös. 11 und 23 
wird aber nicht gehemmt durch freiwilligen Eintritt in eine Kranken-, Bewahr= oder 
Heilanstalt, W. XVII. 15 und 18; XXl. 6. 
1) Nicht nur dienende Personen, auch Wohnungsmiether; W. XI. 11; XXIII. 8. 
5) Die obige Bestimmung findet überall da Anwendung, wo der Wechsel des 
Wohnorts zu bestimmten, durch Gesetz oder ortsübliches Herkommen (d. h. eine mit 
dem Leben und Bewußtsein des Volkes völlig verwachsene Gewohnheit, W. XXIV. 9) 
festgesetzten Terminen stattfindet. Was unter den Betheiligten über den Tag des Anzugs 
oder Abzugs verabredet war, kommt nicht in Betracht; die Thatsache allein ist ent- 
scheidend, Erk. 31. Okt. 1885, 27. März 1886 (W. XVIII. 1). Es kann sich aber 
nur um Fristen handeln, die in längeren Zwischenräumen wiederkehren, W. XXI. 
11; XXIII. 8. Voraussetzung ist jedoch, daß der Wechsel des Wohnorts mit Rück- 
sicht auf den Umzugstermin erfolgt ist; ein gleichzeitiger Wechsel der Dienstherrschaft 
ist nicht erforderlich, W. XXVI. 16.
	        
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