Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz §. 13. 331
§. 13. Als Unterbrechung des Aufenthalts wird eine freiwillige Ent-
fernung nicht angesehen, wenn aus den Umständen, unter welchen sie erfolgt,
die Absicht erhellt, den Aufenthalt beizubehalten 7.
1) Die 8§§. 13, 25 haben nicht die Bedeutung einer erst durch Gegenbeweis zu
entkräftenden gesetzlichen Vermuthung, daß jede Entfernung den Aufenthalt, jede
Rückkehr die Abwesenheit unterbreche. Der klagende Armenverband hat die Umstände
nachzuweisen, aus denen hervorgehen soll, daß die Entfernung zur Unterbrechung des
Aufenthaltes, die Rückkehr zur Unterbrechung der Abwesenheit geeignet war, W. XV.
6; XVIII. 8;: XIX. 22; XX. 11; XXI. 22; XXII. 14 ff.; XXIII. 18 ff. Einem
beklagten Land-Armenverbande gegenüber ist zu beweisen, daß die Entfernung als
Unterbrechung gewirkt, also den Erwerb des Unterstützungswohnsitzes verhindert hat,
bie- Räckehr als Unterbrechung der Abwesenheit nicht anzusehen war, XVIII. 12;
X ..
Der gewöhnliche Aufenthalt wird nicht durch zeitweilige Abwesenheit unterbrochen,
Erk. 14. Sept. 1886 (E. O. BV. XIV. 1583). (In casu hatte ein Fabrikant
von Mitte Mai bis zum 2. Sept. mit seiner Familie eine von letzterer ständig be-
nutzte Wohnung in Charlottenburg innegehabt, sich aber täglich für mehrere Stunden
nach Berlin begeben, auch war er einige Wochen auf Reisen abwesend gewesen, so
daß er nach Abzug dieser Zeiträume nicht volle drei Monate in Charlottenburg an-
wesend war. Das Ober-Verw-Ger. erklärte ihn für abgabepflichtig.)
Wird der Lauf der zweijährigen Frist während der Dauer einer solchen Unter-
brechung (beispielsweise während der Dauer einer nur zu kurz vorübergehenden Zwecken
unternommenen Reise) vollendet, so ist damit der Unterstützungswohnsitz erworben,
Erk. 1. Mai 1886 (W. XVIII. 4).
Die bei der Entfernung gehegte Absicht, an den bisherigen Aufenthaltsort
nach einiger Zeit zurückzukehren, reicht für sich allein, insbesondere, wenn es sich um
eine ganz kurze Abwesenheit handelt, keineswegs für die Annahme aus, daß der Aufent-
halt im Sinne des §. 13 keine Unterbrechung erlitten habe. Es muß die Absicht
der Rückkehr nach kurzer Frist auch thatsächlich z. B. durch Behalten der Wohnung,
durch Zurücklafsung des Hausraths oder anderer für den Gebrauch bestimmter Gegen-
stände erkennbar geworden sein, um die Annahme zu begründen, daß der Aufenrhalt
durch die Entfernung nicht aufgegeben, sondern trotz derselben beibehalten sei, Erk.
18. Febr., 15. April und 3. Juni 1883 (W. XIV. 13—16). Vergl. W. XXIV. 23.
Die Erklärung, daß man durch die Entfernung den Aufenthalt unterbrechen oder
nicht unterbrechen wolle, ist von keiner entscheidenden Bedeutung, wenn sie mit den
Thatsachen nicht im Einklang steht, W. XVIII. 11; XIX. 20; XXI. 14; XXII. 16;
XXIII. 21; XXIV. 18.
Der Annahme, daß die Abwesenheit durch die Rückkehr unterbrochen worden sei,
steht der Umstand nicht entgegen, daß die Absicht von vornherein nicht dahin gerichtet
gewesen sein mag, den Aufenthalt bis an das Lebensende fortzusetzen, W. XIX. 17.
In Sachen Gevelsberg gegen Hörde nahm das Bundesamt an, daß N. den in
Gevelsberg begründeten Wohnsitz dadurch, daß er vom Febrnar 1862 in Hagen auf
ein Jahr und dann in Nachrodt auf vier Monate in ein festes Arbeitsverhältniß ge-
treten ist, nicht verloren habe, wenn er auch dort bei seinen Arbeitgebern für seine
Person Wohnung genommen und Alles zu einer eingerichteten Wohnung Gehörige
sich angeschafft haben sollte, da er während dieser Zeit unbestritten seine Familie in
Gevelsberg gelassen und seinen Hausstand an letzterem Orte, in dem er alle 8 oder
14 Tage zum Besuche seiner Familie zurückkehrte, beibehalten habe, Erk. 21. April
1873 (W. II. 9). — In gleichem Sinne wurde entschieden durch die Erkenntnuisse
17. Nov. 1373 (W. III. 8—10). In dem einen Falle hatte der N. zwar die Woche
über außerhalb seines Wohnortes C. gearbeitet, war aber regelmäßig am Sounabend
Abend oder Sountag früh zu seiner in C. wohnenden Mutter zurückgekehrt, um sich
mit Wäsche und Lebensmitteln für die kommende Woche zu versehen, hatte auch als
er ohne Arbeitsunterkommen war, zwei Monate in C. zugebracht. In dem andern
Falle nabm das Bundesamt an, daß eine Unterbrechung des Aufenthalts nicht statt-
findet, wenn ein Ehemann in verschiedenen Jahren monatelang sich auswärts auf
Arbeit befindet, seine Familie aber an seinem Aufenthaltsorte beläßt und dorthin
immer wieder zu längerem Aufenthalte zurückkehrt. Vergl. W. V. 8; VIII. 10;
XXI. 1; XXII. 2; XXIII. 3.