Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz §§. 15, 16. 335
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn der Antrag nicht inner-
halb zweier Monate weiter verfolgt, oder wenn derselbe erfolglos geblieben ist.
Durch Verehelichung.
§. 15. Die Ehefrau theilt vom Zeitpunkte der Eheschließung ) ab den
Unterstützungswohnsitz des Mannes?) .
§. 16. Wittwen und rechtskräftig geschiedene Ehefrauen behalten den bei
Auflösung der Ehe gehabten Unterstützungswohnsitz so lange, bis sie den-
selben nach den Vorschriften der §§. 22 Nr. 2, 23—27 verloren oder einen
—.
Zu Anmerkung 1 auf S. 334.
einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist. Die in einer
solchen Weise einmal herbeigeführte Unterbrechung wird dadurch nicht ohne weiteres
rückgängig gemacht, daß die betreffende Person nächträglich unerwarteter Weise in die
Lage kommt, sich einstweilen — einige Monate hindurch — ohne Unterstützung durch-
zuhelfen, W. XVII. 35, 73; XX. 15.
Die Unterbrechung der zweijährigen Frist gilt auch dann für erfolgt, wenn der
verpflichtete Armenverband ein bestimmtes, unumwundenes Anerkenntniß abgegeben
hat, Erk. 22. Sept. und 15. Dez. 1877 (W. IX. 9—16). Ist dies geschehen, bevor
Seitens des vorläufig unterstützenden Armenverbandes ein Antrag auf Uebernahme
gestellt war, so tritt eine Unterbrechung des Fristenlaufes mit dem Tage ein, an dem
letzterer zu erkennen giebt, daß er von den aus solchem Anerkenntnisse sich für ihn
ergebenden Rechtsfolgen (8§. 5, 6 Freizügigkeitsges.) dem übernahmepflichtigen Armen-
verbande gegenüber Gebrauch machen wolle; z. B. auch durch Anträge nach §. 56
des Ges., XXV. 11.
Durch den Antrag auf Anerkennung der Verpflichtung zur Uebernahme eines
Hülfsbedürftigen wird der Fristenlauf nicht unterbrochen, wenn der Autrag nicht
innerhalb zweier Monate bei der zuständigen Spruchbehörde (beim Bezirksausschusse)
weiter verfolgt ist. Nichtsdestoweniger ruht der Fristenlauf während der Dauer der
gewährten öffentlichen Unterstützung, Erk. 5. und 19. Sept. 1874 (W. V. 25—29).
Der Antrag muß begründet sein, W. XIV. 37; XVIII. 29; XXI. 34; XXVI. 41,
4,. 124. Die Anerkennung der Uebernahmepflicht unterbricht, auch wenn sie, ohne
vorgängigen Antrag des überführungspflichtigen Armenverbandes des Aufenthalts,
durch Stellung des Ueberführungsantrags erfolgte und letzterer sein Einverständniß
nur nachträglich erklärte, W. XVIII. 26; XXI. 29. Mit dem Antrage auf Ueber-
führung muß die Uebernahmepflicht anerkannt werden, W. XXI. 32.
Der bezüglich eines Familiengliedes gestellte Antrag auf Anerkennung der Ueber-
nahmepflicht hat die Unterbrechung des Fristenlaufs gegenüber dem Familienhaupte
nicht zur Folge, XXV. 17.
1) Durch Verheirathung der Mutter mit einem Ausländer verlieren die Kinder
selbst ebenso wie die Mutter den bisherigen Unterstützungswohnsitz, obwohl in einem
solchen Falle die Kinder Inländer bleiben, während die Mutter Ausländerin wird,
Erk. 3. Sept. 1887 (W. XX. 28); die Kinder werden in solchem Falle landarm,
XXV. 163, 164.
2) Aber nicht, wenn derselbe bereits verheirathet, seine Ehe aber obgleich ungültig,
noch nicht für ungültig erklärt ist, Erk. 28. Febr. 1885 (W. XVII. 47); desgl. nicht,
wenn die Ehe auf Antrag der Ehefrau (wegen Irrthums 2c.) durch gerichtliches
Urtheil für ungültig erklärt worden ist, XXIII. 43.
2) Wittwen erwerben einen neuen Unterstützungswohnsitz und verlieren den Unter-
stützungswohnsitz des verstorbenen Ehemannes erst durch zweijährigen Aufenthalt,
bezw. durch zweijährige Abwesenheit seit dem Todestage des Ehemanns, Erk.
28. Nov. und 3. Dez. 1874 (W. V. 30). Vergl. die Erk. bei §. 22. #
Die sich wieder verheirathende Wittwe erwirbt mit ihren minderjährigen
Kindern erster Ehe den Unterstützungswohnsitz des zweiten Ehemannes, selbst dann,
wenn sie oder ihre ehelichen oder unehelichen Kinder zur Zeit der Wiederverheirathung
der öffentlichen Armenpflege anheimgefallen waren, W. III. 13; XXVII. 35.
Es gilt dies auch, wenn die Wittwe einen Landarmen heirathet; sie wird mit
ihrem zweiten Ehemann landarm, Erk. 9. Juni 1873 (W. III. 17).