366 Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz §. 36.
Zu Anmerkung 1 auf S. 365.
Preußische Ausf. Ges. 8. März 1871 bestellten Spruchbehörden erstreckt sich auf
alle Streitigkeiten der Armenverbände über die Unterstützung Hülfsbedürftiger
nach öffentlichem Recht, W. VI. 90 ff.; XXIII. 167. Alle sich lediglich auf dem
Boden des Civilrechts bewegenden Streitigkeiten der Armenverbände liegen außerhalb
der Kompetenz der Spruchbehörden in Armensachen, welche nur über die im Armen-
recht wurzelnden Rechtsverhältnisse zu judiziren berufen sind. Dahin gehören auch
Verträge zwischen Armenverbänden über die öffentliche Unterstützung Hülfsbedürftiger,
welche zum Vollzuge armengesetzlicher Bestimmungen nach 8. 55 abge-
schlossen sind. Ein bloßes Auftragsverhältniß ist ebenso wenig ein armenrechtliches
Klagefundament, wie ein Anerkenntniß oder ein Zahlungsversprechen, selbst, wenn es
acceptirt ist, Erk. 28. Febr., 6. März und 24. April 1880 (W. XlI. 113, 116 und
120). Erk. 15. Jan. 1881 (W. XIII. 127). Vergl. auch W. VXI. 147; XXVI.
122 vorausgesetzt, daß das Auftragsverhältniß nicht im öffentlichen Armenrecht seine
Quelle hat, W. VI. 91 ff.; XII. 118, 127; XIII. 127; XX. 167.
Das Armenrecht als öffentliches Recht ist an sich der Abänderung durch Ver-
einbarung nur in solchen Fällen, welche das Gesetz selbst zuläßt (z. B. §. 55) unter-
worfen. Abgesehen hiervon, sind Verträge, welche, abweichend von den gesetzlichen
Erfordernissen, die Entstehung oder das Erlöschen des Hülfsdomizils generell oder für
den einzelnen Fall regeln, für das Armenrecht und die Judikatur der für das Armen-
wesen eingesetzten Spruchbehörden absolut bedentungslos und nur im ordentlichen
Rechtswege geltend zu machen, Erk. 7. April 1877 (W. VIII. 120).
Die Spruchbehörden in Armensachen haben auch nicht darüber zu entscheiden,
ob eine Zurückweisung auf Grund der Bestimmung in §. 4 des Freizügigkeusges.
gerechtfertigt ist oder nicht, Erk. 29. Mai 1880 (W. XlI. 124 Anm.). Wenn ein
Ueberführungsantrag gestellt, die Fürsorgepflicht aber später bestritten wird und nicht
erweislich ist, so sind die Spruchbehörden in Armensachen kompetent, Erk. 12. Juni
1880 (W. AllI 125).
Die Spruchbehörden in Streitsachen unter Armenverbänden sind nicht kompetent
zur Entscheidung über den Anspruch eines Privatmannes, der eine an ihn angeblich
übergangene Forderung eines Orts-Armenverbandes an einen andern Orts-Armen-
verband geltend machen will, Erk. 7. April 1888 (W. XX. 166); desgl. nicht bei
Beschwerden über Maßregeln der Landesbehörden, XXIII. 177, desgl. nicht, wenn es
sich um die Kosten der Einlieferung und Ausstattung der nach Maßgabe des Ges.
13. März 1878 in einer Familie oder Anstalt unterzubringenden verwahrlosten Kinder
handelt. Die Aufbringung der in Rede stehenden Kosten ist nicht als ein Akt der
Armenpflege zu betrachten; die Kosten der Unterbringung verwahrloster Kinder können
auch nicht theilweise als Kosten der öffentlichen Armenpflege gelten und demzufolge
Ausprüche wegen ihrer Erstattung auch nicht auf das Reichsgesetz über den Unter-
stützungswohnsitz gestützt werden, Erk. 10. April und 12. Juni 1886 (W. XX. 126 ff.
und XIX. 148).
Erstattungsansprüche von Personen (nicht Armenverbänden), welche einen
Armen verpflegt haben, sind gegen den betreffenden Armenverband nur im ordent-
lichen Rechtswege verfolgbar, Erk. O. Trib. 8. Dez. 1877 (M. Bl. 1878
S. 14). Wenn ein Dritter, welcher die Verpflegung eines Armen bewirkt hat, auf
Grund nützlicher Verwendung oder Geschäftsführung ohne Auftrag einen Armen-
verband wegen Erstattung von Kur-= und Verpflegungskosten in Anspruch nimmt, so
ist der Rechtsweg nicht unbedingt ausgeschlossen. In solchen Fällen kann aber die
Klage nur zugelassen werden, wenn dieselbe durch die vorhergehende Entscheidung der
Verwaltungsbehörde in Beziehung auf diejenigen Gegenstände, worüber ausschließlich
die Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat, insbesondere durch die Entscheidung derselben
über die Frage nach der Existenz und dem Umfange der Verbindlichkeit eines Orts.
Armenverbandes, sofern diese bestritten wird, begründet ist, Präjudiz O. Trib.
21. Febr. 1853 und Erk. O. Trib. 27. Nov. 1874 und 29. Juni 1878 (E. B. 73
S. 239, B. 82 S. 53). Vergl. auch Erk. R. G. 10. Jan. 1881 (E. Civ. III. 270)
und 20. Juni 1884. Z
Das Bundesamt hat durch 2 Erkenntnisse vom 10. Nov. 1883 und 5 April
1884 (W. XVI. 71 ff.) den Anspruch auf Erstattung von Unterstützungen zurückge-
wiesen, welche Privatpersonen an Mittellose verabfolgt hatten, durch Erk. 26. Jan.