Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

374 Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz 88. 60, 61. 
Oeffentliche Unterstützung hülfsbedürftiger Ausländer. 
§. 60. Ausländer:!) müssen vorläufig von demjenigen Orts-Armen- 
verbande unterstützt werden, in dessen Bezirke sie sich bei dem Eintritte der 
Hülfsbedürftigkeit befinden. Zur Erstattung der Kosten?) beziehungsweise zur 
Uebernahme des hülfsbedürftigen Ausländers ist derjenige Bundesstaat ver- 
pflichtet, welchem der Orts-Armenverband der vorläufigen Unterstützung ange- 
hört, mit der Maßgabe, daß es jedem Bundesstaate überlassen bleibt, im Wege 
der Landesgesetzgebung diese Verpflichtung auf seine Armenverbände zu über- 
tragen. 
Verhältniß der Armenverbände zu einander, zu anderweit Verpflichteten, 
zu den Behörden. 
§. 61. Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden Rechte und Ver- 
bindlichkeiten nur zwischen den zur Gewährung öffentlicher Unterstützung nach 
Vorschrift dieses Gesetzes verpflichteten Verbänden (Orts-, Land-Armenverbände, 
Bundesstaaten) begründet. » . 
DaherwerdendieaufanderenTitelns)(Famtlten-unthenstverhältniß, 
1) Bayern gilt im Sinne des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz als 
Ausland, Erk. 7. Febr. 1880 (W. XII. 145). 
Ausländer ist jeder ehemalige Deutsche, der die Staatsangehörigkeit in einem 
Bundesstaate nicht mehr besitzt, bis zum Wiedererwerb einer solchen, Erk. 13. Febr. 
1886 (W. XVIII. 169). 
§. 60 findet keine Anwendung auf inländische Angehörige von Ausländern. 
Daher sind Kinder, die den Unterstützungswohnsitz des Vaters, bezw. der Mutter 
theilen und ihn dadurch, daß das Familienhaupt die Staatsangehörigkeit und somit 
den Unterstützungswohnsitz verliert, ebenfalls verlieren, landarm, W. XXV. 161. 
2:) Wegen Erstattung der für einen Ausländer aufgewendeten Unterstützungskosten 
oder dessen Uebernahme kann in allen Fällen nur derjenige Bundesstaat (oder dessen 
Armenverbände) in Anspruch genommen werden, dem der Orts-Armenverband der 
vorläufigen Unterstützung angehört, — niemals aber ein einem anderen Bundesstaate 
angehöriger Armenverband, Erk. 6. Febr. 1886 (W. XVIII. 167). 
Ist jedoch die Hülfsbedürftigkeit zuerst in dem Bundesstaate A. hervorgetreten, 
und der hülfsbedürftige Ausländer bei Fortdauer der früheren Hülfsbedürf- 
tigkeit in einem Orts-Armenverbande des Bundesstaates B. der öffentlichen Für- 
sorge anheim gefallen, so kann der letztere Orts-Armenverband auch gegen die Armen- 
verbände, auf welche der Bundesstaat A. seine Verpflichtungen landesgesetzlich über- 
tragen hat, den Erstattungs= und Uebernahmeanspruch nach §. 60 Abs. 2 erheben, 
W. XXV. 155; XXVI. 152. Derselbe Anspruch steht auch einem Land-Armen- 
verbande des Bundesstaates B. zu, der sich der Fürsorge unterzogen hat, auch wenn 
er sich für den endgültig verpflichteten Armenverband gehalten hat, XXV. 160. 
Der von Ausländern in solcher Weise erworbene Unterstützungswohnsitz geht auch 
nicht ohne Weiteres durch die Entfernung in das Ausland wiederum verloren. 
Ausländer, die der öffentlichen Armenpflege in einem Bundesstaate anheim fallen, 
der die Unterstützung der Ausländer seinen Armenverbänden auferlegt hat, sind von 
demjenigen Orts-Armenverbande dieses Bundesstaates zu übernehmen, in dem sie 
während ihres jetzigen oder während eines früheren Aufenthalts gemäß Reichsges. 
§§. 10 ff. den Unterstützungswohnsitz erworben und noch nicht gemäß Reichsges. 
§§. 22ff. wiederum verloren haben, XV. 133. 
3) Der Anspruch auf Kostenerstattung oder auf Uebernahme eines Hülfsbedürftigen 
muß, wenn er im Verwaltungsstreitverfahren geltend gemacht werden soll, auf einen 
armenrechtlichen Titel gestützt sein. Ein ertheilter Auftrag gewährt nicht ein armen- 
rechtliches Klagefundament, Erk. 29. Juni 1878 (W. X. 134). Verträge zwischen 
Armenverbäuden über die öffentliche Unterstützung Hülfsbedürftiger, welche zum Voll- 
zuge armengesetzlicher Bestimmungen abgeschlossen sind, sind der Kognition 
der Spruchbehörden in Armensachen nicht entzogen und begründen deren Zuständigkeit, 
Erk. 28. Febr. und 12. Juni 1880 (W. XlI. 115 und 125). 6 
Es ist für das öffentliche Recht ohne Bedeutung, wenn ein Armenverband
	        
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