378 Abschnitt V. Armenwesen. Preußisches Ausführungsgesetz.
Die Unterstützung kann geeigneten Falles, so lange dieselbe in Anspruch
genommen wird, mittelst Unterbringung in einem Armen- oder Krankenhause,
sowie mittelst Anweisung der den Kräften des Hülfsbedürftigen entsprechenden
Arbeiten außerhalb oder innerhalb eines solchen Hauses gewährt) werden.
Gebühren für die einem Unterstützungsbedürftigen geleisteten geistlichen
Amtshandlungen sind die Armenverbände zu entrichten nicht verpflichtet.
Organe der öffentlichen Unterstützung Hülfsbedürftiger.
A. Orts-Armenverbände. a) Gemeinden.
§. 2. Jede Gemeinde bildet für sich einen Orts-Armenverband :), sofern
sie nicht einem, mehrere Gemeinden oder Gutsbezirke umfassenden einheitlichen
Orts-Armenverbande (Gesammt-Armenverbande) schon angehört oder nach den
folgenden Bestimmungen einzuverleiben ist. Die Verwaltung der öffentlichen
Armenpflege steht in den Gemeindebezirken überall den für die Verwaltung
der Gemeinde-Angelegenheiten durch die Gemeinde-Verfassungsgesetze an-
geordneten Gemeindebehörden zu. Die Bestimmungen der Gemeinde-Ver-
fassungsgesetze über die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten, insbesondere
die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gemeindevorstandes und der
Gemeindevertretung sind überall auch für die Verwaltung der öffentlichen
Armenpflege maßgebend. Z„
Die in diesem Gesetze der Gemeindevertretung zugewiesenen Verrichtungen
werden da, wo eine gewählte Gemeindevertretung nicht besteht, von der Ge-
meindeversammlung wahrgenommen.
§. 3. Auf Grund eines Gemeindebeschlusses können in allen Gemeinden
für die Verwaltung der öffentlichen Armenpflege besondere dem Gemeinde-
vorstand untergeordnete Deputationen aus Mitgliedern des Gemeindevorstandes
und der Gemeindevertretung, geeigneten Falles unter Zuziehung anderer Orts-
einwohner?), gebildet werden. Den Vorsitz in solchen Deputationen führt, sofern
nicht die Gemeinde-Verfassungsgesetze über den Vorsitz in Deputationen Anderes
bestimmen, der Bürgermeister — in den Landgemeinden der Provinz Westfalen
der Amtmann — oder ein dazu von ihm abgeordnetes Mitglied des Gemeinde-
vorstandes. Wo kein Bürgermeister (Amtmann) an der Spitze der Gemeinde-
verwaltung steht, tritt au seine Stelle der Gemeindevorsteher.
Bei den sonstigen näheren Bestimmungen der Gemeinde-Verfassungsgesetze
über die Zusammensetzung und Geschäftsführung besonderer Verwaltungs-
Depnutationen hat es sein Bewenden; die Wahl der in die letzteren zu ent-
sendenden Mitglieder der Gemeindevertretung und anderen Ortseinwohner steht
jedoch fortan überall, soviel den Gegenstand dieses Gesetzes betrifft, der Ge-
meindevertretung zu. !½ Z„
Ortspfarrer oder deren Stellvertreter, deren Pfarrbezirk über die Grenzen
der politischen Gemeinde ihres Wohnorts sich erstreckt, sind hinsichtlich des in
Zu Anmerkung 4 auf S. 377.
eines Muschen nnentbehrlichen Gegenstände, Kleidung, Heizung u. s. w., Ausf. Justr.
u F. 1 Abs. 1.
*) Vergl. im Uebrigen die Anm. zu §. 30 des Reichsges.
!) Doch müssen die Arbeiten zur Beschaffung des Lebensunterhaltes auch geeignet
sein, Ausf. Instr. zu §. 1 Abs. 2. Vergl. W. XVII. 79; XXV. 54—61.
2) Veränderungen in der Begrenzung des Bezirkes eines Orts-Armenverbandes
können nur auf dem durch die Gesetzgebung geordneten Wege der Ex. resp. In-
kommunalisirung, nicht durch einfachen Vertrag zwischen den betheiligten Gemeinden
mit rechtlicher Wirkung vor sich gehen, Erk. 28. Febr. 1880 (W. Xll. 113).
Mit der Veränderung der Grenzen der Gemeinde= und Gutsbezirke ändern sich
von selbst auch die Grenzen der Gesammt-Armenverbände, Erk. 23. April 1888
(E. O. V. XVI. 235). —
Die Gemeinde als solche ist die Trägerin der Armenlast, der Orts-Armenverband
ist nicht ein davon verschiedenes Rechtssubjekt, E. Civ. V. 363.
2) Auch wenn diese nicht stimmfähige Bürger sind, Ausf. Instr. zu §. 3.