388 Abschnitt V. Armenwesen. Preußisches Ausführungsgesetz.
§. 57. Soweit die Organisation oder die örtliche Abgrenzung der ein—
zelnen Armenverbände Gegenstand des Streites ist, bewendet es endgültig?)
bei der Entscheidung des Bezirksausschusses. Im Uebrigen findet gegen dessen
Entscheidung, unter Ausschluß aller sonstigen Rechtsmittel, die Berufung an das
Bundesamt für das Heimathwesen statt.
§. 58. In allen Streitsachen zwischen Preußischen Armenverbänden ist
die unterliegende Partei verpflichtet, der Gegenpartei die ihr in der Beru-
fungsinstanz entstandenen baaren Auslagen, sowie die Gebühren eines sie in
der öffentlichen Sitzung des Bundesamtes vertretenden Rechtsverständigen?) zu
erstatten.
§. 59. Gegen die im §. 56 des Bundesgesetzes erwähnten Anordnungen
findet die Berufung?) an das Bundesamt für das Heimathwesen auch in den-
jenigen Fällen statt, in denen ein Streit zwischen zwei Preußischen Armen-
verbänden besteht.
Ist ein Armenverband zur Zahlung und Erstattung der ihm endgültig
auferlegten Kosten und Gebühren ganz oder theilweise außer Stande (§F. 59
des Bundesgesetzes), so bleiben die Kosten des Verfahrens außer Ansatz und
für die Erstattung der Auslagen und Gebühren muß der betreffende Land-
Armenverband aufkommen.
S. 60. Der Kreis- (Stadt-) Ausschuss") muss in allen Streitigkeiten, in
denen ein Orts-Armenverband von einem andern Preußischen Armenverbande
in Anspruch genommen wird, auf Antrag beider) streitenden Theile der schieds-
richterlichen Entscheidung, und auf Antrag eines Theiles, welchen dieser stellt,
ehe der Streit bei dem Bezirksausschusse anhängig gemacht ist, einem gütlichen
Sühneversuch) sich unterziehen.
§. 61. Für das Verfahren kommt §. 49 mit der Massgabe zur Anwen-
dung, dass gegen eine Strafverfügung der Rekurs an den Bezirksausschuss zu-
lässig ist. Der Kreis- (Stadt-) Ausschuss kann in jeder Lage des Verfahrens
einen Sühneversuch veranlassen.
s. 62. Der Beschluss des Kreis- (Stadt-) Ausschusses in den Fällen des
S. 60 ist endgültig; derselbe erfolgt gebühren= und stempelfrei; doch sind dem
unterliegenden Theile die baaren Auslagen des Verfahrens und die des ob-
siegenden Theils, jedoch mit Ausschluß der Gebühren eines Bevollmächtigten,
zur Last zu legen.
Die zu erstattenden baaren Auslagen werden von dem Kreis- (Stadt.)
Ausschusse endgültig festgesetzt.
Die Beschlüsse der Kreis- (Stadt-) Ausschüsse, sowie die urkundlich von
denselben festgestellten Einigungen sind im Verwaltungswege vollstreckbar.
1) Indessen nur für den vorliegenden Streitfall, Res. 19. Febr. 1873 (M. Bl.
S. 57). Vergl. Erk. 1. Sept. 1873 (W. III. 116) und die Erk. bei W. IV. 103
bis 106, VI. 105—107, VII. 138, sowie das Erk. 1. Juli 1878 (W. X. 43).
2) Die Erstattungspflicht erstreckt sich nur auf die Gebühren des vertretenden
Rechtsverständigen, nicht auf die theureren Reisekosten eines anderen Vertreters für
eine unnöthiger Weise unternommene Reise, Erk. 26. Juni 1875 (W. VI. 104).
Vergl. W. IX. 142, XV. 124 und L. V. G. S. 108.
:) Die Berufung an das Heimathsamt findet statt, soweit es sich um die Ver-
theilung der Kosten handelt; sie findet nicht statt gegen die den Betrag der zu er-
stattenden baaren Auslagen festsetzenden Bescheide der landesgesetzlichen Instanz, Erk.
27. Jan. und 7. April 1883 (W. XV. 122ff.).
4) Vergl. Zust. Ges. §. 43.
5) Die Entscheidung des Kreisausschusses ist rechtlich unwirksam und der Voll-
streckung unfähig, wenn sie auf den einseitigen Antrag Einer Partei erlassen wird,
Erk. 30. Juni 1873 (W. III. 103).
6) Die Kosten eines fruchtlosen Sühneversuches fallen nicht dem extrahirenden
Theile zur Last, Res. 12. Okt. 1872 (M. Bl. S. 297).