Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt V. Armenwesen. Preußisches Ausführungsgesetz. 389 
§. 63. Einen Anspruch auf Unterstützung kann der Arme? gegen einen 
Armenverband niemals im Rechtswege, sondern nur bei der Verwaltungsbehörde 
geltend machen, in deren Pflicht es liegt, keine Ansprüche zuzulassen, welche 
über das Nothdürftige hinausgehen. — — 
— — 
  
1) Ein Hülfsbedürftiger, der die nöthige Unterstützung von dem angeblich ver- 
pflichteten Land-Armenverbande nicht erlangen kann, ist in diesem Falle (ebenso 
wenn ein aus privatrechtlichen Titeln Verpflichteter die Unterstützung verweigert) ledig- 
lich an den betreffenden Orts-Armenverband zu verweisen, welchem letzteren es 
dann überlassen bleibt, den Land-Armenverband in dem für Streitsachen der Armen- 
verbände gesetzlich geordneten Verfahren zu belangen. Die Bezirksausschüsse 
sind nicht befugt, in solchen Fällen auf Antrag des Hülfsbedürftigen an die Land- 
Armenverbände Verfügungen wegen des Maßes der zu gewährenden Unterstützung 
zu erlassen, Res. 17. Dez 1873 (M. Bl. 1874 S. 73). 
Dem Landrath steht, wenn es sich um Beschwerden armer Hülfsbedürftiger 
wegen versagter oder ungenügender Hülfe handelt und der vorliegende Fall keinen 
Aufschub gestattet, die Befugniß zu, Namens des Kreisausschusses gemäß §. 117 
L. B. G. 30. Juli 1883 Verfügungen zu erlassen. 
Zust. Ges. §. 41: Beschwerden von Armen gegen Verfügungen von Orts- 
Armerverbänden darüber, ob, in welcher Höhe und in welcher Weise Armenunter- 
stützungen zu gewähren sind (§. 63 Ges. 8. März und §. 51 Ges. 24. Juni 1871) 
unterliegen: 
1. sofern eine Stadt von mehr als 10,000 Einwohnern an dem Armenverbande 
betheiligt ist, der endgültigen Beschlußfassung des Bezirksausschusses; 
2. andernfalls der endgültigen Beschlußfassung des Kreisausschusses. 
Desgleichen unterliegen Beschwerden von Armen gegen Verfügungen von Land- 
Armenverbänden über die Art und Höhe der Unterstützung der endgültigen Beschlußfassung 
des Bezurksausschusses, sofern die Land-Armenverbände nur aus einem Kreise bestehen. 
Wenn die Festsetzung des Orts-Armenverbandes im Wege der Beschwerde ange- 
fochten worden ist, und die zur Entscheidung über letztere berufene Behörde, um eine 
sichere Unterlage zu gewinnen, die ärztliche Besichtigung des angeblich Hülfsbedürftigen 
für nothwendig befindet, so sind die Kosten von derjenigen Behörde zu übernehmen, 
welche in dem gegebenen Falle mit der Aussicht betraut ist. Haben Bezirksausschüsse 
oder Provinzialräthe die Besichtigung angeordnet, so ist der Staat zur Uebernahme der 
Kosten verpflichtet, da demselben die Kosten der Verwaltung der Bezirksausschüsse und 
Provinzialräthe mit Ausnahme der Auslagen der gewählten Mitglieder zufallen. Bei 
den Regierungen sind eintretenden Falles die qu. Kosten bei dem Fonds „zu unvor- 
hergesehenen und vermischten Ausgaben“ (Kap. 58 Tit. 17) in Ausgabe zu verrechnen, 
Res. 28. Juni 1882 (M. Bl. S. 1998). 
Der § 63 findet, seinem unzweifelhaften Wortlaute nach, nur dann Anwendung, 
wenn ein Armer Anspruch auf Unterstützung erhoben hat und entweder er oder der 
betheiligte Orts-Armenverband gegen die Entscheidung der Vor-Instanz die Berufung 
an den Bezirksausschuss einlegt. Der §. 63 findet aber nicht Anwendung und die 
Entscheidung des Bezirksausschnsses ist ausgeschlossen, wenn die Polizeibehörde aus 
Gründen der öffentlichen Ordnung und unabhängig von dem Antrage eines Armen von 
Amtswegen zum Einschreiten gegen einen Armenverbands-Vorstand Anlaß nimmt. 
Beschwerden, welche die Frage zum Gegenstand haben, ob ein derartiges Einschreiten 
gerechtfertigt sei, werden von der Ausnahmebestimmung des F§. 63 nicht betroffen, 
folgen vielmehr dem sonst geordneten Instanzenzuge, Res. 19. Aug. 1872 (M. Bl. S. 223). 
Die Polizeibehörden sind von Amtswegen ebenso befugt wie verpflichtet, im öffent- 
lichen Interesse von Hülfsbedürftigen bezw. der öffentlichen Ordnung gegen die event. 
fürsorgepflichtigen Armenverbände einzuschreiten und beispielsweise einen der öffent- 
lichen Fürforge bedürftigen Kranken auf Kosten des Orts-Armenverbandes, in 
dessen Bezirk er sich bei dem Eintritt der Hülfsbedürftigkeit befindet und der also 
nach §. 28 Ges. über den Unterstützungswohnsitz 6 Juni 1870 zur vorläufigen Unter- 
stützung verpflichtet ist, nöthigenfalls in einem Krankenhause unterzubringen, Erk. 
O. V. G. 13. Juni 1876 (E. O. V. 1. 340). 
Der Amtsvorsteher (die Polizeibehörde) ist befugt, dem Gemeindevorsteher, als 
Vertreter des Orts-Armenverbandes, unter Androhung von Exekutivstrafen aufzugeben, 
einer obdachlosen Familie ein Unterkommen zu verschaffen. Wenn in einem solchen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.