Abschnitt VI. Polizeigesetz der neuen Landestheile. 49
die örtliche Polizeiverwaltung durch eine Staatsbehörde oder einen besonderen
Staatsbeamten geführt wird, ist der Minister des Innern befugt, einzelne Zweige
der örtlichen Polizeiverwaltung den Gemeinden zur eigenen Verwaltung unter
Aufsicht des Staats zu überweisen. Für die den Gemeinden zur eigenen Ver-
waltung überwiesenen Zweige der örtlichen Polizeiverwaltung stehen die in dieser
Verordnung den Orts-Polizeibehörden eingeräumten Befugnisse der Gemeinde-
behörde oder dem Gemeindebeamten zu, welchem mit Genehmigung des Regie-
rungspräsidenten die betreffenden Geschäfte übertragen worden sind.
§. 3. In Betreff der Verpflichtung zur Tragung der Kosten der örtlichen
Polizeiverwaltung bewendet es vorläufig bei den in den neu erworbenen Landes-
theilen hierüber bestehenden Vorschriften 0.
Wenn in Gemäßheit des §. 2 einzelne Zweige der Polizeiverwaltung den
Gemeinden zur eigenen Verwaltung überwiesen worden sind, so haben die
Gemeinden die Kosten dieser Verwaltung selbst zu tragen.
§. 4. Ueber die Einrichtungen, welche die örtliche Polizeiverwaltung er-
fordert, kann der Regierungspräsident besondere Vorschriften erlassen.
Die Ernennung aller Polizeibeamten, deren Anstellung den Gemeinde-
behörden zusteht, bedarf der Bestätigung der Staatsregierung.
§. 5. Die mit der örtlichen Polizeiverwaltung beauftragten Behörden
sind befugt, nach Berathung mit dem Gemeindevorstande ortspolizeiliche, für
den Umfang der Gemeinde gültige Vorschriften zu erlassen und gegen die Nicht-
befolgung derselben Geldstrafen bis zum Betrage von neun Mark anzudrohen.
Steht die örtliche Polizeiverwaltung innerhalb eines Bezirks, zu welchem mehrere
Gemeinden gehören, einem Beamten (Amtshauptmann, Amtmann 2ce.) oder
einer Behörde zu, so ist dieser Beamte oder diese Behörde befugt, ortspolizeiliche
Vorschriften #
a) für den Umfang einer Gemeinde nach Anhörung des betreffenden Ge-
meindevorstandes,
b) für mehrere Gemeinden oder den ganzen Bezirk aber nach Anhörung
der Amtsvertretung (Amtsversammlung 2c.) und in deren Ermangelung
nach Anhörung der betreffenden Gemeindevorstände
unter der vorstehend gedachten Strafandrohung zu erlassen.
Die Strafandrohung kann bis zu dem Betrage von dreissig Mark gehen,
wenn der Regierungspräsident seine Genehmigung dazu ertheilt hat.
Die Regierungspräsidenten haben über die Art der Verkündigung der
ortspolizeilichen Vorschriften, sowie über die Formen, von deren Beobachtung
die Gültigkeit derselben abhängt, die erforderlichen Bestimmungen zu erlassen.
§. 6C. Zu den Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften gehören:
a) der Schutz der Personen und des Eigenthums;
b) Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen,
Wegen und Plägten, Brücken, Ufern und Gewässern;
Zc) der Marktverkehr und das öffentliche Feilhalten von Nahrungsmitteln;
i4) Ordnung und Gesectzlichkeit bei dem öffentlichen Zusammensein einer
größeren Anzahl von Personen;
e) das öffentliche Interesse in Bezug auf die Aufnahme und Beherbergung
von Fremden; die Wein-, Bier= und Kaffeewirthschaften und sonstige
Einrichtungen zur Verabreichung von Speisen und Getränken;
f) Sorge für Leben und Gesundheit;
6) Fürsorge gegen Feuersgefahr und sonstige Unsicherheit bei Bauaus-
führungen, sowie gegen gemeinschädliche und gemeingefährliche Hand-
lungen, Unternehmungen und Ereignisse überhaupt;
n) Schus det Felder, Wiesen, Weiden, Wälder, Baumpflanzungen, Wein-
erge u. s. w.; #„
i) alles Andere, was im besonderen Interesse der Gemeinden und ihrer
Angehörigen polizeilich geordnet werden muß. *„
§. 7. Zu Verordnungen über Gegenstände der landwirthschaftlichen Polizei
ist die Zustimmung der Gemeindevertretung, wo aber eine Gemeindevertretung
1) Vergl. Ges. 20. April 1892 (G. S. S. 87), betr. Kosten Kgl. Polizeiverwal=
tungen in Stadtgemeinden oben S. 424.