440 Abschnitt VI. Zulässigkeit des Rechtsweges.
Art. IX. Zur Entscheidung der nach den bisherigen Landesgesetzen bereits
erhobenen Kompetenzkonflikte ist der im Artikel III bezeichnete Gerichtshof gleich-
falls zuständig.
Soweit das bisherige Verfahren den Vorschriften der §§. 5 bis 13 des
Gesetzes vom 8. April 1847 nicht entspricht, ist den letzteren gemäß dasselbe
zu ergänzen.
B. Hinsichtlich polizeilicher Anordnungen.
Gesetz vom IlI. Mai 1842 (G. S. S. 192) über die Bulässigkeit
des Rechtsweges in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen ?.
4 1. Beschwerden?) über polizeiliche Verfügungen jeder Art, sie mögen
die Gesetzmäßigkeit, Nothwendigkeit ?) oder Zweckmäßigkeit derselben betreffen,
gehören vor die vorgesetzte Dienstbehörde.
Der Rechtsweg“) ist in Beziehung auf solche Verfügungen) nur dann zu-
lässig, wenn die Verletzung eines zum Privateigenthum gehörenden Rechts be-
hauptet wird, und nur unter den nachfolgenden näheren Bestimmungen.
§. 2. Wenn derjenige, welchem durch eine polizeiliche Verfügung eine
Verpflichtung auferlegt wird, die Befreiung von derselben auf den Grund einer
besonderen gesetzlichen Vorschrift oder eines speziellen Rechtstitels behauptet,
)) Kommentar von Köhne, Berlin 1895; vergl. auch Opp., Ressortverhältnisse 1863.
Gültigkeit des Ges. in den neuen Provinzen Vd. 16. Sept. 1867 (G. S. S. 1515)
und Erk. Komp. G. H. 8. Jan. 1870 (M. Bl. S. 82).
2) Ueber das Recht der Beschwerde bezw. Klage im Verwaltungsstreitverfahren
gegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden vergl. §. 127 L. V. G. Das Auf-
sichtsrecht der vorgesetzten Behörden, von Amtswegen oder auf Antrag einzugreifen,
ist dadurch nicht berührt, §. 50 Abs. 3 L. V. G.
) Der Richter im Verwaltungsstreitverfahren ist nicht befugt, frei zu prüfen und
zu entscheiden, in welchem Umfange Maßnahmen nothwendig und angemessen sind,
um die öffentliche Sicherheit zu wahren, wenn das Interesse der letzteren überhaupt
in Frage steht, und so die Polizeibehörde befugt ist, Fürsorge für dasselbe zu üben.
Ueber jene Frage der Nothwendigkeit und Angemessenheit ist auf Beschwerde lediglich
von der Polizeiaufsichtsbehörde zu befinden, nicht im Streitverfahren, wie sich aus
§. 127 L. V. G. 30. Juli 1883 ergiebt. Wenn Maßregeln, die zum Schutz
einer Passage getroffen sind, hinter den polizeilichen Anordnungen zurückbleiben, so
unterliegt eine Beschwerde darüber, daß letztere nicht sachgemäß seien, lediglich der
Kognition der Verwaltungsbehörden. Im Streitverfahren können sie nur mit der
Behauptung angefochten werden, daß sie der objektiven polizeilichen Motive ganz
entbehren, also willkürliche seien, Erk. O. V. G. 14. Dez. 1878.
Der ordentliche Richter hat weder die Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit, noch
die Gesetzmäßigkeit der Anordnung zu prüfen, Erk. Komp. G. H. 13. Mai 1876
(M. Bl. S. 234), R. G. 16. Dez. 1888 (E. Civ. XX. 301).
!) Die Klage ist gegen diejenige Behörde zu richten, die die letzte streitige
Verfügung erlassen hat, also in Beschwerdefällen gegen diejenige, die über die Be-
schwerde entschieden hat, E. Civ. XV. 138.
5) Polizeiliche Verfügungen sind gemäß Abs. 1 im weitesten Sinne (ohne Be-
schränkung auf die aus §. 127 L. V. G.) zu verstehen und es ist bezüglich ihres zu-
lässigen Inhalts auf A. L. R. II. 17 §. 10 zurückzugehen. Es gehören daher hierher
auch die landespolizeilichen Verfügungen, Erk. Komp. G. H. 3. Mai 1856 (J. M. Bl.
S. 171), nicht aber Polizeiverordnungen, Köhne S. 20, und Zwangsmaßregeln zur
Durchsetzung polizeilicher Verfügungen, Erk. Komp. G. H. 11. April 1868 (M. Bl.
S. 214) und 13. Juni 1874 (J. M. Bl. S. 237).
Auch Dritte, die sich in ihren Privatrechten verletzt fühlen, find vom Rechts-
wege nicht ausgeschlossen, Erk. Komp. G. H. 9. März 1872 (J. M. Bl. S. 135).