490 Abschnitt VI. Polizeiliches Einschreiten gegen Militärs.
Vorschläge der Immediat-Kommission zur Feststellung der Grenzen des polizei-
lichen Einschreitens gegen Offiziere, Unteroffziere und Soldaten der Armee.
Wiederholte Konflikte, welche in Berlin zwischen Militärpersonen und Polizei-
beamten, insbesondere Schutzmannschaften vorgekommen sind, haben dargethan, daß
auf beiden Seiten wiederholt nach einer nicht richtigen Auffassung der Verhältnisse
verfahren worden, und daß man von den Prinzipien abgewichen ist, die früher be-
folgt wurden, und deren noch bestehende Anwendung in anderen Garnisonen, z. B.
in Breslau und Magdeburg, zur Folge gehabt hat, daß seit Jahren in beiden Orten
keine Konflikte zwischen der Polizei und dem Militär vorgekommen sind.
Um nun auch in Berlin ein ähnliches Verhältniß herzustellen, ist es nöthig,
diese Prinzipien wieder in Erinnerung und zur Geltung zu bringen. Dabei kommt
noch besonders in Betracht, daß bei ernstlicher Bedrohung der öffentlichen Ruhe und
Ordnung die Polizei nicht ausreicht, vielmehr, wie die Erfahrung gezeigt hat, unter
solchen Umständen allein das Militär im Stande ist, die Ordnung aufrecht zu er-
halten und, wo sie gestört worden, wieder herzustellen, demnach es auch ans dieser
Rücksicht von Wichtigkeit erscheint, dahin zu wirken, daß die Polizeibeamten mit dem
Militär Hand in Hand gehen und alles vermieden wird, was das gute Einvernehmen
zwischen beiden stören kann.
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Die Militärpersonen vom Stande der Feldwebel und Wachtmeister ab—
wärts, von denen hier zunächst die Rede ist, werden daher auch ferner von den be-
treffenden Vorgesetzten dahin anzuweisen sein, alle dienstlich ihnen bekannt gemachten,
allgemeinen polizeilichen Verordnungen genau zu befolgen, auch wenn sie sich nicht in
Ausübung des Dienstes befinden, den Anordnungen der Polizeibeamten in Betreff
von lokalpolizeilichen Bestimmungen Folge zu leisten und den genannten Beamten
auf ihre Anfrage die Angabe des Namens, der Cbarge und des Truppentheils, zu
dem der Betreffende gehört, nicht vorzuenthalten; ebenso sind die Militärpersonen
ausdrücklich dahin zu instruiren, daß, wenn einer dieser Beamten sich veranlaßt finden
sollte, eine Militärperson zu arretiren, um sie einer Militärwache oder einem Militär-
Vorgesetzten zu überliefern, die betreffende Militärperson, sofern sie sich nicht in
Ausübung des Dienstes befindet, verpflichtet ist, ienem Beamten unweigerlich dahin
u folgen.
Polizeibeamten sind dagegen anzuweisen, den längst feststehenden Grundsatz,
ein direktes Einschreiten der Polizei gegen Militärpersonen in Uniform, so viel wie
möglich zu vermeiden, festzuhalten und kein Mittel zu dessen Durchführung unversucht
zu lassen. Die genannten Beamten sind demnach zu instruiren, die Militärperson,
welche eine polizeiliche Anordnung überschreitet, zu deren Beachtung in angemessener
Weise aufzufordern; — je ruhiger und bestimmter diese Aufforderung geschieht, desto
sicherer wird ihr Erfolg sein.
Eignet sich die stattgehabte Ueberschreitung von Seiten des Militärs indeß nicht
zu einer derartigen Aufforderung, oder bleibt eine solche erfolglos, so wird es in sehr
vielen Fällen ausreichen, daß der Polizeibeamte die Identität der Person feststellt und
der competenten Militärbehörde Anzeige von der durch die namentlich zu bezeichnende
Militärperson geschehenen Uebertretung macht. "
Ist die Feststellung der Identität der Person nicht ausreichend, sondern die Arre-
tirung einer Militärperson erforderlich, so ist von den betreffenden Polizeibeamten,
so weit es irgend thunlich, zu veranlassen, daß die Arretirung durch Militär-Wacht-
mannschaften oder durch einen Militär-Vorgesetzten ausgeführt wird, wozu die vielen
Kasernen und Wachen hierseibst, so wie die, bei den am häufigsten besuchten Gast-
häusern zur Beaufsichtigung der darin aus= und eingehenden Militärpersonen kom-
mandirten Unteroffiziere mannigsache Gelegenheit bieten.
Selbstverständlich muß die Lage der jedesmaligen Umstände, so wie der Charakter
der stattfindenden Ulebertretung der Polizei. Verordnungen die Maßnahmen der Polizei-
beamten bestimmen; indeß ist anzunehmen, daß bei einem richtigen Benehmen der-
selben die bezeichnete Verfahrungsweise in den allermeisten Fällen hinreichen wird,
ein direktes Einschreiten der Polizei gegen Militärpersonen in Uniform
zu umgehen, so daß die Fälle, in welchen die Arretirung durch Polizeibeamte
unvermeidlich wird, nur als Ausnahmen zu betrachten sein werden.