36 Abschnitt II. Die Preußische Verfassung.
nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die öffentlichen Volksschulen 1) vor-
geschrieben ist. Z Z #
Artikel 22. Unterricht zu ertheilen und Unterrichtsanstalten zu gründen
und zu leiten, steht Jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und
technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat.
Artikel 23. Alle öffentlichen und Privat-Unterrichts= und Erziehungs-
Anstalten stehen unter der Aufsicht vom Staate ernannter Behörden?).
Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte und Pflichten der Staatsdieners).
Artikel 24. Bei der Einrichtung der öffentlichen Volksschulen sind die
konfessionellen Verhältnisse möglichst zu berücksichtigen. Z„
Den religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die betreffenden
Religionsgesellschaften.
Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule steht der Ge-
meinde zu. Der Staat stellt, unter gesetzlich geordneter Betheiligung der
Gemeinden, aus der Zahl der Befähigten die Lehrer der öffentlichen Volks-
ulen an.
ch Artikel 25. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung oder Erweiterung.
der öffentlichen Volksschule werden von den Gemeinden, und im Falle des
nachgewiesenen Unvermögens, ergänzungsweise vom Staate") aufgebracht. Die
auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben bestehen.
Der Staat gewährleistet demnach den Volksschullehrern ein festes, den
Lokalverhältnissen angemessenes Einkommen. Z Z
In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeltlich ertheilt 5)
Artikel 26. Ein besonderes Gesetz regelt das ganze Unterrichtswesens)
Artikel 277). Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck
und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern?). »
Die Censur darf nicht eingeführt werden; jede andere Beschränkung der
Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung.
Artikel 28. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bild-
lace Dastellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu
estrafen?).
Artikel 299. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrig.
keitliche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu
versammeln. ·
Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem
!) Darunter sind die „gemeinen“ „Elementar- und Volksschulen“ verstanden
Erk. O. B. G. 11. März 1885 (E. O. V. XII. 97); 15. Febr. 1889 (das. XVII. 160).
*) Vergl. Schulaussichtsges. 11. März 1872 (G. S. S. 183). Art. 23 ist durch
Art. 112 suspendirt.
2) Auch die Rendanten der Schulgemeinden, E. Crim. IV. 379.
)Vergl. Ges. wegen Erleichterung der Volksschullasten 14. Juni 1888 (G. S
S. 240) und 31. März 1889 (G. S. S. 64); Pension der Volksschullehrer: Ges.
6. Juli 1885 (G. S. S. 298) und 23. Juli 1893 (G. S. S. 194).
5) Abs. 3 ist nunmehr theilweise geltendes Recht geworden, §. 4 Gef. 14. Juni
1888 (G. S. S. 240)
6) Ein solches Gesetz ist noch nicht ergangen. Die Art. 20 bis 25 haben daher
inzwischen nur die Bedeutung allgemeiner Verheißungen. Materiell gilt das frühere
Recht, soweit es nicht durch neuere Spezialgesetze abgeändert ist. Vergl. Art. 1# 12
unten; Erk. O. Trib. 12. Okt. 1874 (E. LXXIII. 406), 14. Juni 1877 (E. LXXK. 377)
7) Art. 27 kann im Falle eines Belagerungszustandes außer Kraft gesetzt werden.
Art. 111. Z 5*
n 6) Reichspreßges. 7. Mai 1874 (R. G. Bl. S. 65). .
") Vergl. §. 20 Preßges. 7. Mai 1874. Art. 28 schließt nicht aus, daß für
die Preßfreiheit noch durch besondere, die Staatsbürger als solche nicht angehende
rechtliche Beziehungen Schranken gezogen werden können, z. B. für Beamte, Erk.
20. Dez. 1886 (E. O. V. XIV. 404).
10) Art.29 kann im Falle eines Belagerungszustandes außer Kraft gesetzt werden,
s. Art. 111.