Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

538 Abschnitt VII. Gendarmerie in den neu erworbenen Landestheilen. 
Probezeit ohne Rücksicht auf die in der Gendarmerie selbst zugebrachte längere oder 
kürzere Dienstzeit, und zwar der Oberwachtmeister jährlich 84 Thaler, der Gendarm 
aber jährlich 54 Thaler an Pension. Die Oberwachtmeister und Gendarmen, welche 
früher in den neu erworbenen Landestheilen dem Staate gedient haben und mit den- 
selben übernommen worden sind, werden nach den Vorschriften für die aus diesen 
Landestheilen übernommenen Civilbeamten pensionirt. 
S. 12. Außer der Besoldung und den vom Staate gewährten Emolumenten 
haben die Offiziere, Oberwachtmeister und Gendarmen weder in ihrem Standauartier, 
noch außerhalb desselben Anspruch auf Naturalquartier, Servis oder Beköstigung. 
Die Gemeinden sind jedoch verpflichtet, an Orten, wo keine Militärmagazine find 
und der Fouragebedarf der daselbst stationirten Gendarmerie auch im Wege der Ver- 
dingung zu einem angemessenen Preise nicht zu erlangen ist, die Lieferung der Fourage 
gegen Erstattung des mittleren Marktpreises am Orte der Lieferung, falls aber von 
der Gemeindebehörde erweislich die Fourage in der erforderlichen Qualität für den 
laufenden mittleren Marktpreis nicht zu beschaffen ist, gegen Erstattung der wirklich 
gezahlten höheren Preise aus der Staatskasse, zu leisten. 6 
§. 13. Mehrjähriger ausgezeichneter Dienst in der Gendarmerie gewährt den 
Osfizieren, Oberwachtmeistern und Gendarmen einen vorzüglichen Anspruch auf An- 
stellung in solchen Civilämtern, zu welchen sie geeignet sind. # 
§. 14. Das Korps der Gendarmerie hat, wenn es gemeinschaftlich mit den 
Linientruppen in Dienstthätigkeit ist, den Vorrang. Das Kommando führt in solchen 
Fällen zwar immer, ohne Rücksicht auf das Korps, zu welchem es gehört, der im 
Dienst ältere Offizier; ist dies aber der Anführer der Linientruppen, so ist derfelbe 
den Anträgen des Gendarmerie-Anführers nachzukommen verpflichtet. Die Gendarmen 
selbst haben einzeln den Rang der Unteroffiziere in den Linientruppen. 
§. 15. Die Mitglieder der Gendarmen gehören zu den Personen des Soldaten- 
standes und haben den Gerichtsstand des stehenden Heeres. Auf dieselben finden die 
Vorschriften der Militär-Strafgesetze Anwendung. Das nächste Militärgericht ist ver- 
pflichtet, die Dienst= und gemeinen Vergehen der Gendarmen auf Regquisition ihrer 
Vorgesetzten zu untersuchen und darüber zu. erkennen. Auch die dem Gendarmen 
in seinen Dienstverrichtungen vorgesetzte Civilbehörde (§. 5) ist befugt, gegen ihn 
wegen eines Dienst= oder anderen Vergehens oder eines Verbrechens eine vorläufige 
Untersuchung einzuleiten, auch nach Befinden in dringenden Fällen ihm vorläufig, 
bis zur Entscheidung der kompetenten Militärbehörde über seine Suspension vom 
Dienste, die Ausübung aller Dienstverrichtungen zu untersagen, demnächst aber ver- 
bunden, die Akten dem vorgesetzten Distriktsoffizier zum weiteren Verfahren zu über- 
senden, und hat der Distriktsoffizier den Ausfall der Untersuchung der vorgedachten Dienst- 
behörde bekannt zu machen. In Ansehung der Jurisdiktion und Strafgewalt soll dem 
Chef der Gendarmerie der Wirkungskreis eines Divisionskommandeurs, dem Brigadier 
der eines Regimentskommandeurs und den Distriktsoffizieren der eines detachirten 
Bataillonskommandeurs zustehen. Für den Fall der Konkurrenz von Gendarmen bei 
Vergehen anderer Militärpersonen erfolgt die Bestätigung des Erkenntnisses ohne 
Unterschied durch den Kriegsminister. Ist in Folge des eingeleiteten gerichtlichen 
oder Disziplinar-Verfahrens die Entfernung einen Gendarmen aus dem Korps vor- 
herzusehen, so hat der Chef der Gendarmerie die Suspension desselben vom Dienst 
mit Einbehaltung der Hälfte des Gehalts während der Untersuchung und bis zur 
Entscheidung, jedoch mit Belassung des Unterhaltes des Pferdes bei berittenen Gen- 
darmen, zu verfügen. 
§. 16. Die Gendarmerie ist im Allgemeinen bestimmt, die Polizeibehörden in 
Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung im Innern des Staates 
und in Handhabung der deshalb bestehenden Gesetze und Anordnungen zu unter- 
stützen. Ihr liegt daher als ordentliche Dienstleistung, mithin ohne besondere Requi- 
sition und Auweisung, ob, über die Befolgung der oben gedachten Gesetze und An- 
ordnungen zu wachen, Verbrechen, Vergehen und anderen strafbaren Handlungen nach- 
zuforschen und den Behörden und sonstigen öffentlichen Beamten, wenn dieselben zur 
Ausübung ihres Dienstes Schutz bedürfen, solchen auf Ansuchen zu gewähren. Die 
Mitglieder der Gendarmerie sind befugt auch ohne Antrag bei gesetzmäßiger Beran- 
lassung und unter Beobachtung der in den Gesetzen vorgeschriebenen Formen Personen 
festzunehmen oder in polizeiliche Verwahrung zu nehmen, in Wohnungen einzudringen 
und Haussuchungen vorzunehmen. Deserteure haben sie aufzugreifen und an die
	        
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