Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

618 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Beleidigung. 
§. 194. Die Verfolgung einer Beleidigung tritt nur auf Antrag 1) ein. 
Die Zurücknahme des Antrages (§§. 185 bis 193) ist zulässig. 
§. 195. Sind Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt stehende Kinder 
beleidigt worden, so haben sowohl die Beleidigten, als deren Ehemänner und 
Bäter das Recht, auf Bestrafung anzutragen. 4# ç 
§. 196. Wenn die Beleidigung gegen eine Behörde:), einen Beamten, 
einen Religionsdiener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während sie in 
der Ausübung ihres Berufes?) begriffen sind, oder in Beziehung auf ihren 
Beruf begangen ist, so haben außer den unmittelbar Betheiligten auch deren 
amtliche Vonlessettr.) das Recht den Strafantrag zu stellen. 
1) Eine beleidigende Kundgebung gegenüber einer kollektiven Mehrheit von Per- 
sonen (beispielsweise einer Generalsynode, des Offizierkorps eines Regiments, der An- 
wälte eines Gerichtes) kaun von der Art sein, daß in ihr eine Beleidigung der Mit- 
glieder derselben zu finden ist. In diesem Falle ist jedes einzelne Mitglied, auch 
wenn auf dasselbe in der Kundgebung nicht speziell Bezug genommen worden, zur 
Stellung des Verfolgungsantrages berechtigt, Erk. R. G. 25. Okt. 1880 (E. Crim. 
III. 12) und 7. Jan. 1881 (E. Crim. III. 246). In gleicher Weise erkannte das 
Reichsgericht (E. Crim. IX. 1) wegen eines gegen die konservative Mehrheit einer 
Wählerversammlung gerichteten beleidigenden Zeitungsartikels. Allgemein gehaltene 
beleidigende Aeußerungen, z. B. gegen die Juden, gegen die Liberalen, gegen die 
Konservativen, gegen den Adel 2rc. 2c. geben den Einzelnen kein Klagerecht, vergl. Erk. 
6. Okt. 1881 (Ann. R. G. IV. 359). 
Der Redakteur einer Zeitung ist nicht berechtigt, wegen beleidigender Angriffe 
gegen sie Strafantrag zu stellen, Erk. 4. Dez 1885 (E. Crim. XIII. 126). 
:) Wenn in remittirten Immediat--Eingaben und Beschwerden verletzende 
Aeußerungen enthalten sind, so ist nach Allerh. Entsch. 18. Dez. 1841 weder einer 
Behörde im Interesse des Dienstes, noch dem beleidigten Beamten gestattet, eine 
Rüge der Beleidigung im Wege der Untersnchung oder des Injurienprozesses in 
Antrag zu bringen, ohne zuvor die Allerhöchste Genehmigung eingeholt zu haben. 
Die sämmtlichen Obergerichte haben bei Mittheilung der ihnen zugefertigten Imme- 
diateingaben, worin verletzende Aeußerungen enthalten sind, mit Vorsicht zu ver- 
fahren und dergl. Eingaben, insofern es einer Berichterstattung darüber bedarf, ent- 
weder gar nicht, oder nur im Auszuge, mit Hinweglassung der verletzenden Stellen, 
zuzufertigen; sich nöthigenfalls auch durch Einfordern der Akten die nöthige Auskunft 
zu verschaffen. In gleicher Weise ist hinsichts der Mittheilung aller bei den Ober- 
gerichten selbst eingehenden Eingaben und Beschwerden, welche Beleidigungen und An- 
züglichkeiten gegen untergeordnete Gerichtsbehörden und einzelne Juslizbeamte ent- 
halten, zu verfahren, Res. 9. Febr. 1842 (J. M. Bl. S. 53), vergl. Res. 13. Dez. 
1878 (M. Bl. 1879 S. 25). " 
3) Eine Beziehung auf den Beruf kann nicht schon darin gefunden werden, daß 
der Beleidigte einer außerdienstlichen Handlungsweise beschuldigt wird, welche, wenn 
die Beschuldigung wahr wäre, ihn seiner Berufsstellung unwürdig erscheinen lassen 
oder eine Bestrafung im Disziplinarwege rechtfertigen würde, Erk. 16. Juni 1885 
(E. Crim. XII. 267). 
6) Nicht bloß die unmittelbaren Vorgesetzten, sendern auch die Vorgesetzten höherer 
Ordnung haben das Recht, einen Strafantrag im Sinne des §F. 196 zu stellen, Erk. 
O. Trib. 4. Jan. 1875 (E. I,XXIV. 274) und auch dann, wenn die unmittelbaren 
Vorgesetzten den Antrag zurückgenommen haben, Erk. O. Trib. 4. Jan. 1875 (J. 
M. Bl. S. 70). Die amtlichen Vorgesetzten haben im Falle des §. 196 nicht bloß 
das Recht, den Strafantrag zu stellen, sie sind auch befugt, die öffentliche Bekannt- 
machung des verurtheilenden Erkenntuisses zu beantragen, Beschl. O. Trib. 9. Sept. 
1874 (M. Bl. S. 231); E. Crim. XIV. 327. 
Der Kriegsminister ist für den Bereich seines Ressorts und der seiner Verwaltung 
anvertrauten Angelegenheiten der amtliche Vorgesetzte der dem slehenden Heere an- 
gehörenden Personen im Sinne des §. 196 Str. G. B., Erk. 10. Dez. 1886 (E. 
Crim. XV. 75). . . .. 
Vergl. Erk. 13. Jan. 1891 (E. Crim. XXI. 380), betr. die Beleidigung von 
Hofdienstbeamten, welche gleichzeitig eine staatsdienstliche Funktion ausüben. 
Wenn die Bezichtigung ehrenrühriger Handlungen erst nach dem Tode des betr. 
 
	        
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