Abschnitt II. Die Preuß. Verfassung. Rechtsverh. d. hohen Adels. 61
Artikel 119. Das im Art. 54 erwähnte eidliche Gelöbniß des Königs,
sowie die vorgeschriebene Vereidigung der beiden Kammern und aller Staats.
beamten, erfolgen sogleich nach der auf dem Wege der Gesetzgebung vollen eten
gegenwärtigen Revision dieser Verfassung. (Art. 62 und 108.)
Die Rechtsverhältnisse des hohen Adels.
Zum hohen Adel gehören die vormals unmittelbaren Deutschen Reichsstände.
Die Deutsche Bundesakte (Art. XIV), die Wiener Kongreßakte (Art. 23 und 43)
und andere Bundesgesetze sicherten den vormals unmittelbaren Deutschen Reichsständen
bestimmte Rechte zu: a) Zugehörigkeit zum hohen Adel und Ebenbürtigkeit mit den
regierenden Höusern, b) daß sie und ihre Familien „die privilegirteste Klasse, insbe-
sondere in Ansehung der Besteuerung bilden, c) daß ihnen alle aus ihrem Eigenthum
und dessen ungestörtem Genuß herrührenden Rechte, welche nicht zu der Staats-
gewalt und den höheren Regierungsrechten gehören, verbleiben“. Zur Ausführung
der Bundesgesetze ergingen in Preußen die Verordnung vom 21. Juni 1815 (G. S.
S. 103), welche Art. XIV der Bundesakte wiederholt und nähere Angaben über die
Privilegien macht, und die Instruktion zu dieser Verordnung vom 30. Mai 1820
(G. S. S. 81). Die Standesherren haben den Huldigungseid zu leisten und sind
den allgemeinen Landesgesetzen unterworfen; sie haben Rechte auf Titel und Wappen
(„Wir“), Kirchengebet, öffentliche Trauer, Ehrenwache; sie mit ihren Familiengliedern
sind befreit von „aller Militärpflicht", Grund= und Personalsteuern, aber nicht von
indirekten Steuern. Vom Erbschaftsstempel sind sie bei Successionen in der Standes-
berrschaft, welche innerhalb der Familie stattfinden, unbedingt, bei anderen Erbschaften
und Vermächtnissen aber nur insoweit befreit, als diese innerhalb der Standesherrschaft
ihnen zufallen. Sie sollten Privilegien für sich und ihre Familienangehörigen in
Ansehung der streitigen und nichistreitigen Gerichtsbarkeit genießen; ihnen bleibt in
ihren standesherrlichen Bezirken „die Benutzung jeder Art der Jagd= und Fischerei-
gerechtigkeit, der Bergwerke — soweit sie ihnen bereits zusteht“; sie hatten eigene,
standesherrliche Gerichtsbarkeit, Exemtion von Landespolizeibehörden, die Kirchen= und
Schulaufsicht.
Alle diese Vorrechte hat die Verfassungsurkunde durch Art. 4 beseitigt. Um sie
wiederherstellen zu können, erging in Bezug auf Art. 4 die nachfolgende sog. „De-
klaration“:
Gesetz, betreffend die Deklaration der Verfassungs-Urkunde
vom 31. Januar 1850, in Bezug auf die Rechte der mittelbar gewordenen
Deutschen Reichsfürsten und Grafen.
Vom 10. Juni 1851 (G. S. S. 363).
Die Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850 stehen
einer Wiederherstellung derjenigen durch die Gesetzgebung seit dem 1. Januar
1848 verletzten Rechte und Vorzüge nicht entgegen, welche den mittelbar ge-
wordenen Deutschen Reichsfürsten und Grafen, deren Besitzungen in den Jahren
1815 und 1850 der Preußischen Monarchie einverleibt oder wieder einver-
leibt worden, auf Grund ihrer früheren staatsrechtlichen Stellung im Reiche
und der von ihnen besessenen Landeshoheit zustehen, und namentlich durch den
Art. XIV der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 und durch die
Art. 23 und 43 der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815, sowie durch
die spätere Bundes-Gesetzgebung zugesichert worden sind, sofern die Bethei-
ligten sie nicht ausdrücklich durch rechtsbeständige Verträge aufgegeben haben.
Diese Wiederherstellung erfolgt durch Königliche Verordnung.
Zur Ausführung dieses Gesetzes ergingen 2 Verordnungen:
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