Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Uebertretungen. 657 
4. wer bettelt ) oder Kinder zum Betteln anleitet oder ausschickt oder Per- 
sonen, welche seiner Gewalt und Aussicht untergeben sind und zu seiner 
Hausgenossenschaft gehören, vom Betteln abzuhalten unterläßt; 
5. wer sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hingiebt, daß er 
in einen Zustand geräth, in welchem zu seinen Unterhalte oder zum 
Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch Ver- 
mittelung der Behörde fremde Hülfe in Anspruch genommen werden muß; 
6. eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht??) einer polizei- 
lichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung 
Zu Anmerkung 4 auf S. 656. 
erregen und weder genügende Subsistenzmittel resp. die stattgehabte Bemühung um 
Erlangung eines redlichen Erwerbes nachzuweisen vermögen, noch auch nur den in 
#§ 3 Paßges. 12. Okt. 1867 vorgeschriebenen Nachweis über ihre Person führen 
können, auf Grund des §. 361 Nr. 3 der strafrechtlichen Verfolgung wegen Land- 
streicherei zu überweisen, Res. 7. Aug. 1875 (M. Bl. S. 232). 
Res. 29. Sept. 1887 (M. Bl. S. 244), betr. die Ausweisung ausländischer 
Zigeunner und das Verfahren mit inländischen Zigeunern. 
1) Zum Thatbestande des Bettelns gehört nicht eine Mehrheit von Fällen, jeder 
einzelne Fall begründet die Anwendung des Strafgesetzes, Erk. Rev. H. 22. Dez. 1852 
(Rö. A. B. 38 II. 33); es ist aber nicht jede vereinzelte Bitte um Unterstützung, 
z. B. bei augerblicklichen Nothständen oder Verlegenheiten, nothwendig als Betteln 
anzusehen, Opp. Anm. 27 zu §. 361. Besondere Beziehungen (Verwandtschaft, 
Freundschaft, gleicher Lebensberuf u. s. w.) können der Bitte den Charakter des 
Bettelns benehmen, E. Crim. XX. 434. 
Auch ein schriftliches Gesuch kann den Thatbestand der Bettelei begründen, 
Erk. 21. Nov. 1849 (J. M. Bl. 1850 S. 60) und auch stillschweigend durch Hand- 
lungen die Bitte um ein Almosen ausgedrückt werden, Plen. Beschl. O. Trib. 
21. Nov. 1849 (J M. Bl. 1850 S. 6). 
Betteln unter Vorspiegelung von Gebrechen kann unter Umständen als Betrug 
bestraft werden, Erk. R. G. 4. Juli 1881 (E. Crim. IV. 352). 
2) Der §. 361 Nr. 6 bedroht die gewerbsmäßige Unzucht nur für den Fall mit 
Strafe, daß die betreffende Person nicht einer besonderen polizeilichen Aufsicht unter- 
stellt ist. Die einer solchen Aufsicht unterstellten Dirnen werden nur dann bestraft, 
wenn sie den zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des 
öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandeln. Dahin ge- 
hören beispielsweise Anzeige der Wohnung, der Nichtbesuch einzelner öffentlicher 
Lokale 2c. 
Die Polizeibehörde bringt durch die Anordnung einer polizeilichen Aufsicht nur 
zum Ausdruck. daß sie den Betrieb der gewerbsmäßigen Unzucht Seitens der ihr 
unterstellten Frauenzimmer dulden wolle. Diese Duldung kann aber selbstredend ihre 
Wirkung nur üben, sobald und soweit die Gewerbsunzucht im Bezirke der duldenden 
Behörde betrieben wird, Erk. 9. Dez. 1884 (E. Crim. XlI. 286). 
Die Unzucht wird gewerbsmäßig betrieben, wenn Weibspersonen aus dem 
unzüchtigen Verkehr mit Männern eine Erwerbsquelle machen. Es bedarf dazu weder 
eines Preisgebens an Jedermann ohne Auswahl, noch der Gewinnung des Lebens- 
unterhaltes durch die Hurerei. Gleichgültig ist es auch, ob die Bezahlung ausbe- 
dungen oder angenommen, oder ob eine solche stillschweigend erwartet war. Ebenso 
wenig ist eine Mehrzahl von Fällen ein unerläßliches Erforderniß. Ein einzelner 
Fall, insbesondere das einmalige Verlangen einer Vergütung kann daher unter die 
Strafvorschrift fallen, wenn aus den Umständen erhellt, daß bei vorkommender Ge- 
legenheit eine Wiederholung in der Absicht gelegen habe. Dagegen stellt ein ein- 
maliges Preisgeben, auch wenn es gegen Bezahlung geschieht, für sich allein die 
Gewerbsmäßigkeit nicht dar. Wie viele Handlungen erforderlich seien, um diese 
Gewerbsmäßigkeit zu begründen, unterliegt der thatsächlichen Beurtheilung. Mit 
Rücksicht auf das Begriffserforderniß der Gewerbsmäßigkeit können mehrere Fälle der 
Unzucht nicht als verschiedene selbständige Vergehen betrachtet werden, vielmehr stellt 
der unbefugte Gewerbebetrieb im Ganzen die strasbare Handlung dar. Vergl. auch 
Opp. Anm. 42 und 43 zu §. 361 und Erk. O. Trib. 14. Juni 1873 (J. M. Bl. 
S. 267). 
Illing-Kautr, Handbuch I. 7. Aufl. 42 
 
	        
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