Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

660 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Uebertretungen. 
urtheilte Person entweder bis zu zwei Jahren in ein Arbeitshaus unterzu- 
bringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden 0. Im Falle des 
Zu Anmerkung 1 auf S. 659. 
maßliche Dauer auszusprechen hat. Wird die Entlassung beschlossen, so ist dieselbe 
von der Ortspolizeibehörde in der Weise zu bewirken, daß der Erkrankte unter aus- 
drücklicher Entlassung aus dem Polizeigewahrsam dem zur vorläufigen Fürsorge 
verpflichteten Ortsarmenverband zur Heilung überwiesen wird. Dem Letzteren ist 
dabei zugleich aufzugeben. von der Beendigung der Kur der Ortspolizeibehörde zur 
Beschlußnahme über weitere Maßregeln, zu welchen die betreffende Person Anlaß 
geben möchte, rechtzeitig Mittheilung zu machen. Wird dagegen die Belassung des 
Erkrankten in dem polizeilichen Gewahrsam verfügt, so hat die Ortspolizeibehörde 
ihrerseits für die Heilung Sorge zu tragen. In diesem Falle sind die Kosten auf 
die Staatskasse zu übernehmen und aus den Etatfonds zu allgemeinen Ausgaben 
im Interesse der Polizei, Kap. 95 Tit. 5 des Staatshaushaltsetats, zu bestreiten. 
Das Gleiche gilt im ersteren Falle von denjenigen Kurkosten, welche bis zum Eingange 
der in jedem Falle unverzüglich zu treffenden Entscheidung der Ortspolizeibehörde 
entstehen, sofern nicht letzterer bei Einholung dieser Entscheidung eine schuldhafte 
Verzögerung zur Last fällt. Es ist übrigens in der Regel die Entlassung eines 
erkrankten Detinenden zu verfügen und nur dann eine Ausnahme hiervon zu 
machen, wenn entweder mit Sicherheit angenommen werden kann, daß die Heilung 
in kürzester Zeit erfolgen wird oder aber ganz besondere Gründe die polizeiliche 
Festhaltung des Betreffenden geboten erscheinen lassen, Res. 8. Juli 1883 (M. Bl. 
S. 174). 
Mit Bezug auf die Handhabung des vorstehenden Erlasses vom 8. Juli 1883 
ist durch Res. 17. März 1885 (M. Bl. S. 70) Folgendes angeordnet worden: 
1. Die Entlassung eines aus der gerichtlichen Haft in krankem Zustande über- 
nommenen oder in dem polizeilichen Gewahrsam erkrankten Detinenden aus dem 
letzteren ist als Regel festzuhalten und eine Ausnahme hiervon, abgesehen von den- 
jenigen Fällen, in welchen eine baldige Heilung zu erwarten steht, nur dann zu 
machen, wenn die Vollstreckung der korrektionellen Nachhaft für dringend nothwendig 
zu erachten ist und zugleich die Annahme begründet erscheint, daß für den Fall der 
Entlassung eine Wiederergreifung des Betreffenden nicht gelingen würde. 
2. Die Entlassung ist in der Weise zu bewirken, daß der zu Entlassende dem 
zur vorläufigen Fürsorge verpflichteten Ortsarmenverbande zur Heilung überwiesen 
wird. Von der in dem Erlasse vom 8. Juli 1883 vorgesehenen Aufforderung an den 
Armenverband, über die Beendigung der Kur der Ortspolizeibehörde rechtzeitig Mit- 
theilung zu machen, ist jedoch hierbei Abstand zu nehmen. Auch ist einem etwaigen 
Verzicht des Entlassenen auf die Gewährung öffentlicher Armenpflege, beziehungsweise 
seinem Verlangen, seine Heilung an einem anderen Orte suchen zu dürfen, polizei- 
licherseits nicht entgegenzutreten. # 
3 Eine Ausnahme von der Bestimmung in dem Schlußsatze der Nr. 2 findet 
statt, wenn die Natur der Krankheit und die Persönlichkeit des Erkrankten die Heilung 
im öffentlichen Interesse zur Verhütung von Gefahren für das Gemeinwesen geboten 
erscheinen lassen. Die Verpflichtung der Polizeibehörden, bei dem Vorhandensein 
dieser Voraussetzung für die Wiederherstellung des Erkrankten Sorge zu tragen, bleibt 
unverändert fortbestehen. Der aus dem vorläufigen Gewahrsam Entlassene ist daher 
in einem derartigen Falle auch gegen seinen Willen in Kur und Verpflegung zu 
nehmen. Die hierdurch erwachsenden Kosten fallen jedoch, wie bisher, nicht dem Armen. 
verbande, sondern als Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung der betreffenden Polizei- 
behörde zur Last. .. 
4. Ist die Entlassung eines erkrankten Detinenden verfügt, so ist nach erfolgter 
Wiederherstellung desselben, sofern nicht inzwischen die im 8. 362 des Strafgesetzbuches 
vorgesehene zweijährige Frist abgelaufen sein sollte, die Vollstreckung der bereits fest- 
gesetzten, bezw. noch festzusetzenden korrektionellen Nachhaft zu bewirken und hat die 
Ortspolizeibehörde des Entlassenen das dieserhalb Erforderliche zu veranlassen. 
1) In Fällen, wo die Grenzen der Jurisdiktionsbezirke mit denen der Land- 
armenverbände nicht zusammenfallen, vielmehr der Ort der Aufgreifung eines Bettlers 
oder Landstreichers und der Ort, an welchem er seine Strafe verbüßt hat, ver- 
schiedenen Land-Armenverbänden augehören, erfolgt die Vollstreckung der Besserungehaft
	        
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