Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Vorläufige Entlassung. 675 
,8. 9. Gesuche der Strafgefangenen oder der Angehörigen derselben um Be- 
willigung der vorläufigen Entlassung unterliegen zunächst der Prüfung des Gefängniß- 
Borstaudes, und sind von diesem, wenn sie zur Befürwortung nicht geeignet er- 
scheinen, durch ablehnende Bescheidung zu erledigen, sofern nicht bei Zufertigung des 
Gesuches an den Gefängniß-Vorstand durch eine vorgesetzte Gefängnißinstanz oder 
durch eine der in den §§. 5 und 8 dieser Verfügung genannten Behörden seine 
Aeußerung ausdrücklich erfordert worden ist. 
§. 10. Bei Ausführung der Entlassung kommen die nachfolgenden Bestimmungen 
zur Anwendung: 
1. Dem Gefangenen wird zu Protokoll eröffnet, daß er in Gemäßheit der §s§. 23 
und folgende des Strafgesetzbuches nur mit Vorbehalt des Widerrufs entlassen 
werde, und daß er die Wiedereinlieferung zur Abbüßung des bei der Ent- 
lassung unvollstreckt gebliebenen Theils der urtheilsmäßigen Strafzeit zu 
gewärtigen habe, falls er bis zum Ablaufe der letzteren sich einer schlechten 
Führung schuldig machen oder den ihm nach Nr. 2 dieses Paragraphen er- 
theilten Verhaltungsvorschriften zuwiderhandeln sollte. 
2. Zu seiner Legitimation wird dem Gefangenen ein Entlassungsausweis mit 
Reiseroute nach dem Entlassungsorte in Form des beiliegenden Formulars 
behändigt, auf dessen Rückseite die Vorschriften für sein Verhalten abgedruckt 
sind. 
Das Duplikat des Entlassungsausweises wird mit der Entlassungsver- 
handlung (Nr. 1) den bei der Anstalts-Registratur verbleibenden Personalakten 
des Gefangenen einverleibt. 
3. In Bezug auf die Abrechnung mit dem Gefangenen wegen des für ihn 
asservirten Arbeitsverdienstes, bezw. sonstigen Privateigenthums, sowie wegen 
etwaiger Gewährung von Reiseunterstützung an denselben, kommen die für die 
Entlassung der Gefangenen nach verbüßter Strafe bestebenden Vorschriften mit 
der Maßgabe zur Anwendung, daß dem vorläufig Entlassenen von dem für 
ihn asservirten Gelde niemals ein höherer als derjenige Betrag baar ausgezahlt 
werden darf, dessen derselbe zur Reise nach dem Entlassungsorte auf der vor- 
geschriebenen Route unumgänglich bedarf. Der Rest des asservirten Geldes 
wird auf Kosten des Gefangenen an die Polizeibehörde des Entlassungsortes 
abgesandt, welche zu weiteren Zahlungen an denselben nur insoweit ermächtigt 
ist, als sie die Ueberzeugung von der Angemessenheit der beabsichtigten Ver- 
wendung gewinnen kann. 
4. Von der erfolgten Entlassung wird seitens des Anstalts-Vorstandes zu den 
Untersuchungsakten Nachricht gegeben, außerdem aber unter Zufertigung einer 
Abschrift des Entlafsungs-Ausweises der Polizeibehörde des Entlassungs-Ortes 
und, falls diese der Aufsicht des Landraths unterliegt, auch dem Letzteren Mit- 
theilung gemacht. 
Trifft der Gefangene innerhalb der vorgeschriebenen Frist an dem Ent- 
lassungsorte nicht ein, so ist seitens der Ortspolizeibehörde des Letzteren nach 
Maßgabe des §. 14 dieser Verfügung zu verfahren. 
#§. 11. Der vorläufig entlassene Gefangene tritt mit dem Tage der Entlassung 
und bis zum Ablaufe der in dem Straferkenntnisse festgesetzten Strafzeit unter spezielle 
polizeiliche Kontrolle, welche den Zweck hat, ihn fortdauernd und in wirksamer Weise 
an dem Mißbrauche der ihm durch die Entlassung zu Theil gewordenen Vergünstigung 
abzuhalten, welche aber nicht in der Weise ausgeübt werden soll, daß der Entlassene 
dadurch in seinem Fortkommen behindert oder der öffentlichen Verachtung aus- 
gesetzt wird. 
§. 12. Die Kontrolle wird durch die Ortspolizeibehörde des Entlassungs= bezw. 
jedesmaligen Aufenthalts-Ortes (§F. 13) unter Aussicht der derselben vorgesetzten Polizei- 
behörden ausgeübt. 
Die Polizeibehörden haben dabei die im §. 11 aufgestellten allgemeinen Grund- 
sätze zu beobachten, übrigens aber nach eigenem pflichtmäßigem Ermessen zu verfahren. 
Sie sind namentlich befugt, dem Entlasseuen, soweit dies erforderlich scheint, vorüber- 
gehend noch andere Beschränkungen als diejenigen aufzuerlegen, welche in Gemäßheit 
des §. 39 Nr. 1 und 3 des Str. G. B. hinsichtlich der nach verbüßter Strafe unter 
Polizeiaussicht gestellten Personen zulässig sind. 
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