Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

678 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Beurlaubung von Gefangenen. 
Erlaubniß auf länger als 48 Stunden von demselben oder von dem späteren 
Aufenthaltsorte entfernen, oder von der erhaltenen Erlaubniß, sich an einen 
anderen Ort begeben zu dürfen, nicht in der vorgeschriebenen Weise Gebrau 
machen, haben sofortige steckbriefliche Verfolgung, resp. nach Lage der Umstände 
den Widerruf der Entlassung zu gewärtigen. Der letztere kann auch erfolgen, 
wenn der Entlassene ohne ortspolizeiliche Erlaubniß einen neuen Aufenthalt 
nimmt. 
4. Der Widerruf ist außer in den vorstehend bezeichneten Fällen zu gewärtigen, 
wenn der Entlassene: 
àa) sich arbeitsscheu oder trunkfällig zeigt, oder durch sonstiges ungeordnetes 
Verhalten Anstoß giebt, 
b) mit übelberüchtigten Personen Umgang pflegt oder bei denselben Wohnung 
nimmt, oder Z 
I) einen bestimmten Lebenserwerb nicht nachzuweisen vermag. 
  
Vorschriften, betreffend die zeitweise Entlassung (Beurlaubung) von 
Gefangenen. 
Res. 15. Juli 1870 (M. Bl. S. 197): 1. Ueber die zeitweise Entlassung von 
Strafgefangenen aller Kategorien ist fortan von den Verwaltungsbehörden nach 
vorgängiger Kommunikation mit denjenigen Organen der Justizverwaltung zu befinden 
welchen die Sorge für die Strafvollstreckung obliegt. 
Ohne Zustimmung der Letzteren darf die Entlassung nicht erfolgen. 
Eine Ausnahme findet statt, wenn außerordentliche Umstände (Ausbruch einer 
Epidemie in der Anstalt u. s. w.) die sofortige Entlassung von Gefangenen im öffent- 
lichen Interesse nothwendig machen. Von den in diesem Falle nach dem eigenen 
Ermessen und unter Verantwortlichkeit der Verwaltung zu treffenden Maßnahmen ist 
den zuständigen Gerichtsbehörden nachträglich Mittheilung zu machen. 
2. Die Entscheidung über die zeitweise Entlassung von Zuchthausgefangenen 
bleibt dem Ministerium des Innern vorbehalten, welches bezüglich der einzelnen 
Fälle die Zustimmung des Herrn Justizministers einholen wird. 
3. Ueber die zeitweise Entlassung von Gefängnißgefangenen haben zu 
befinden: 
ñ a) wenn die Nothwendigkeit zur Aussetzung der Strafe sich aus Veränderungen 
in der Person des Gefangenen (Krankheit, Schwangerschaft u. s. w.) ergiebt und 
dabei die Dauer von 4 Wochen nicht überstiegen werden soll, der Anstaltsvorstand 
nach erfolgter Zustimmung der Staatsanwaltschaft des Landgerichts!#), 
b) bei längerer Unterbrechung der Strafe aus den sub a erwähnten Gründen, 
sowie in denjenigen Fällen, in welchen die Haftentlassung bis zu einer Maximaljzeit- 
dauer von 6 Monaten mit Rücksicht auf dringende häusliche, wirthschaftliche oder 
öffentliche Verhältnisse des Verurtheilten nachgesucht wird, der Regierungspräsident 
— in der Provinz Hannover der Oberpräsident — unter Zustimmung des Ober- 
staatsanwalts u, 
c) wenn die Aussetzung der Strafe aus anderen Gründen als den sub a er- 
wähnten Veränderungen in der Person des Gefangenen auf länger als 6 Monate 
stattfinden soll, das Ministerium des Innern, welches die Zustimmung des Herrn 
Justizministers einholen wird. 
4. Die nach Maßgabe des Vorstehenden erforderlichen Korrespondenzen sind dem 
Zwecke entsprechend zu beschleunigen. 
Bei Gefahr im Verzuge ist der Telegraph zu benutzen. 
Bei Unterbrechung von Gefängniß= oder Haftstrafe auf die Dauer von 
mehr als sechs Monaten sowie bei jeder Unterbrechung einer Zuchthausstrafe 
bedarf es der gemeinschaftlichen Entscheidung der Ministerien des Innern und der 
Justiz. Der Ober-Staatsanwalt hat sich auf Ersuchen der zuständigen Verwaltungs- 
1) Res. 29. Okt. 1879 (M. Bl. 1880 S. 17). Gegen die ablehnende Erklärung 
des Ersten Staatsanwalts (Za) ist Beschwerde an den Oberstaatsanwalt zulässig. 
Vergl. auch Res. 7. Juni 1881 (M. Bl. S. 174), Res. 23. Juni 1885 (M. Bl. S. 186).
	        
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