Abschnitt X. Strafprozeß. Kosten. 747
8. 494. Die bei der Strafvollstreckung nothwendig werdenden gerichtlichen Ent-
scheidungen (§g. 490— 493) werden von dem Gericht erster Instanz ohne mündliche
Verhandlungen erlassen.
Vor der Entscheidung ist der Staatsanwaltschaft und dem Verurtheilten Gelegen-
heit zu geben, Anträge zu stellen und zu begründen.
Kommt es auf die Festsetzung einer Gesammtstrafe an (§F. 492), und waren die
verschiedenen hierdurch abzuändernden Urtheile von verschiedenen Gerichten erlassen,
so steht die Entscheidung demjenigen Gerichte zu, welches die schwerste Strafart oder
bei Strafen gleicher Art die höchste Strafe erkannt hat, falls hiernach aber mebrere
Gerichte zuständig sein würden, demjenigen, dessen Urtheil zuletzt ergangen ist. War
das hiernach maßgebende Urtheil von einem Gerichte höherer Instanz erlassen, so setzt
das Gericht erster Instanz, und war eines der Strafurtheile von dem Reichsgerichte
in erster Instanz erlassen, das Reichsgericht die Gesammtstrafe fest.
Gegen diese Entscheidungen findet, insofern sie nicht von dem Reichsgerichte er-
lassen sind, sofortige Beschwerde statt.
§. 495. Die Vollstreckung der über eine Vermögensstrafe oder eine Buße er-
gangenen Entscheidung erfolgt nach den Vorschriften über die Vollstreckung der Urtheile
der Civilgerichte.
Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens.
g. 496. Jedes Urtheil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende
Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens
zu tragen sind.
Wenn über die Höhe der Kosten oder über die Nothwendigkeit der unter ihnen
begriffenen Auslagen Streit entsteht, so erfolgt hierüber besondere Entscheidung.
8. 497. Die Kosten, mit Einschluß der durch die Vorbereitung der öffentlichen
Klage und die Strafvollstreckung entstandenen, hat der Angeklagte zu tragen, wenn
er zur Strafe verurtheilt wird.
Stirbt ein Verurtheilter vor eingetretener Rechtskraft des Urtheils, so haftet sein
Nachlaß nicht für die Kosten.
§. 498. Wenn ein Angeklagter in einer Untersuchung, welche mehrere strafbare
Handlungen umfaßt, nur in Ansehung eines Theils derselben verurtheilt wird, durch
die Verhandlung der übrigen Straffälle aber besondere Kosten 1) entstanden sind, so ist
er von deren Tragung zu entbinden.
Mitangeklagte, welche in Bezug auf dieselbe That zur Strafe verurtheilt sind,
haften für die Auslagen als Gesammtschuldner. Dies gilt nicht von den durch die
Strafvollstreckung oder die Untersuchungshaft entstandenen Kosten.
§. 499. Einem freigesprochenen oder außer Verfolgung gesetzten Angeschuldigten
find F solche Kosten aufzuerlegen, welche er durch eine schuldbare Versäumniß ver-
ursacht hat.
Die dem Angeschuldigten erwachsenen nothwendigen Auslagen können der Staats-
kasse auferlegt werden ?).
#§. 500. Bei wechselseitigen Beleidigungen oder Körperverletzungen wird die
Verurtheilung eines oder beider Theile in die Kosten dadurch nicht ausgeschlossen, daß
einer derselben oder beide für straffrei erklärt werden.
§. 501. Ist ein, wenn auch nur außergerichtliches Verfahren durch eine wider
befseres Wissen gemachte oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Anzeige veranlaßt
worden, so kann das Gericht dem Anzeigenden, nachdem derselbe gehört worden, die
der Staatskasse und dem Beschuldigten erwachsenen Kosten auferlegen.
War noch kein Gericht mit der Sache befaßt, so erfolgt die Entscheidung auf
den Antrag der Staatsanwaltschaft durch dasjenige Gericht, welches für die Eröffnung
des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre.
Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt.
1) Darunter sind nur die nicht zu den Gebühren zu rechnenden Kosten zu ver-
stehen, Erk. 6. Mai 1892 (G. A. XL. 56).
2) Vergl. Res. 15. März 1892 (J. M. Bl. S. 109), betr. Festsetzung der dem
Drlchuszen erwachsenen nothwendigen Ausgaben, falls sie der Staatskasse auf-
erlegt sind.