Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung. 769 
65. 94. Unter den Umständen, wo ein Machtgeber einen dem Bevollmäch- 
tigten bei Ausrichtung der Geschäfte durch Zufall zugestoßenen Schaden ver- 
zgüten muß, ist auch die Herrschaft schuldig"') für das in ihrem Dienste oder 
ei Gelegenheit desselben zu Schaden gekommene Gesinde auch über die Dienst- 
zeit hinaus zu sorgen. (Thl. 1, Tit. 13, S§§. 80—81.) 
§. 95. Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nur auf die Kurkosten und auf 
den nothdürftigen Unterhalt des Gesindes, so lange, bis dasselbe sich sein Brod 
selbst zu verdienen wieder in den Stand kommt. 
§. 96. Ist aber der Dienstbote durch Mißhandlungen der Herrschaft, ohne 
sein grobes Verschulden, an seiner Gesundheit beschädigt worden, so hat er von 
ihr fooblinige Schadloshaltung nach den allgemeinen Vorschriften der Gesetze 
u fordern?). 
§. 97. Auch für solche Beschimpfungen und üble Nachreden, wodurch dem 
Gesinde sein künftiges Fortkommen erschwert wird, gebührt demselben gerichtliche 
Genugthuung. Z „ 
§. 98. In wiefern eine Herrschaft durch Handlungen des Gesindes in 
oder außer seinem Dienste, verantwortlich werde, ist gehörigen Orts bestimmt. 
(Thl. 1, Tit. 6, 88. 60 sad.) 8). 
Aufhebung des Vertrages durch den Tod. 
§. 99. Stirbt ein Dienstbote, so können seine Erben Lohn und Kostgeld 
nur so weit fordern, als selbiges nach Verhältniß der Zeit bis zum Kranken- 
lager rückständig ist. ** 4% " 
g. 100. Begräbnißkosten ist die Herrschaft für das Gesinde zu bezahlen 
in keinem Falle schuldig. » 
z 101. Stirbt das Haupt der Familie, so sind die Erben nicht gehalten, 
das Gesinde länger, als bis zur nächsten gesetzlichen Ziehzeit (88. 32, 33, 34) 9 
zu behalten, wenn auchs) durch besonderen Vertrag eine längere Dienstzeit fest- 
esetzt wäre. 
. 102. Erfolgt jedoch der Todesfall nach der Kündigungsfrist, so muß 
Gesinde, welches bloß zu häuslichen Verrichtungen bestimmt ist, das baare 
Lohn, doch ohne Kost oder Kostgeld, für das nächstfolgende Vierteljahr noch 
überdies, statt Entschädigung für die verspätete Kündigung erhalten; Gesinde 
aber, das zur Landwirthschaft ) gebraucht wird, noch für das nächstfolgende Jahr 
beibehalten werden, falls keine andere freiwillige Abkunft getroffen werden kann. 
) Nach der Praxis des O. Trib. ist die Herrschaft dazu verpflichtet: a) wenn sie 
zu einem solchen Unglücksfalle auch nur durch ein geringes Versehen Anlaß gegeben 
und b) auch bei bloß zufälligem Schaden, wenn das Gesinde die bestimmte Vorschrift 
der Herrschaft nicht hat befolgen können, ohne sich der Gefahr einer solchen Beschädi- 
gung auszusetzen. Sie hat aber nur die Kurkosten und den nöthigen Unterhalt so 
lange zu leisten, bis das Gesinde sich sein Brod selber verdienen kann, Erk. O. Trib. 
13. Okt. 1871 (Srrieth. Arch. LXXXIV. 56). 
Die neuere Praxis ist dieser Ansicht nicht gefolgt; sie nimmt an, daß durch die 
88. 94, 95 die allgemeinen Bestimmungen über den Schadensersatz nicht haben be- 
seitigt werden sollen, E. Civ XXVII. 191. 
2) §§. 223, 223a, 231 R. Str. G. B., §§. 111—129 A. L. R. I. 6. 
3) Bergl. auch §. 5 Feld= und Forst-Polizei-Ges. 1. April 1880; §. 11 Forst- 
diebstahls-Ges. 15. April 1878; §. 19 Jagdpolizei-Ges. 7. März 1850; §. 52 Fischerei- 
Ges. 30. Mai 1874; §. 19 Zoll-Ges. 23. Jan. 1838; §. 152 Vereinszoll= Ges. 
1. Juli 1869; §. 38 Brausteuer-Ges. 31. Mai 1872. 
!) Wohl ein Versehen im Text; die §§. 42—44 müssen gemeint sein. 
5) Diese Vorschrift findet auf Hausoffizianten, z. B. Privatsörster, die durch 
schristlichen Vertrag auf Lebenszeit angenommen und auf das Forstgesetz vereidigt 
worden find, keine Anwendung, Erk. O. Trib. 30. Sept. 1859 (A. f. R. XXXV. 
131) und 1. Dez. 1856 (E. XXXIV. 260), Erk. R. G. 13. März 1893 (Rass. u. 
Küntz. XXXVII. 1068). 
6) Dem zur Landwirthschaft gebrauchten Gesinde liegt beim Tode des Brodherren, 
sofern dessen Nachfolger successor universalis ist, die Vervflichiung ob, bis zum 
Illing-Kautz, Hauvdbuch 1, 7. Aufl. 49
	        
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