Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

772 Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung. 
§. 132. 16. Wenn ein Dienstbote von der Obrigkeit auf längere Zeit 
als acht Tage gefänglich eingezogen wird. 
§. 133. 17. Wenn ein Gesinde weiblichen Geschlechts schwanger wird, 
in welchem Falle jedoch der Obrigkeit Anzeige geschehen und die wirkliche Ent- 
lassung nicht eher, als bis von dieser die gesetzmäßigen Anstalten zur Verhütung 
alles Unglücks getroffen worden, erfolgen muß. 
§. 134. 18. Wenn die Herrschaft von dem Gesinde bei der Annahme 
durch Vorzeigung falscher Zeugnisse!) hintergangen worden. 
135. 19. Wenn das Gesinde in seinem nächstvorhergehenden Dienste 
sich eines solchen Betragens, weshalb dasselbe nach §§. 117—128 hätte ent- 
lassen werden können, schuldig gemacht und die vorige Herrschaft dieses in dem 
ausgestellten Zeugnisse verschwiegen, auch das Gesinde selbst es der neuen 
Herrschaft bei der Annahme nicht offenherzig bekannt hat?. 
Von Seiten des Gesindes. 
* 136. Das Gesinde kann den Dienst ohne vorhergehende Aufkündigung?) 
verlassen: 
1. Wenn es durch Mißhandlungen von der Herrschaft in Gefahr des 
Lebens oder der Gesundheit versetzt worden. 
§. 137. 2. Wenn die Herrschaft dasselbe auch ohne solche Gefahr, jedoch 
mit ausschweifender und ungewöhnlicher Härte behandelt hat. 
§. 138. 3. Wenn die Herrschaft dasselbe zu Handlungen, welche wider 
die Gesetze oder wider die guten Sitten laufen, hat verleiten wollen. 
§. 139. 4. Wenn dieselbe das Gesinde von dergleichen unerlaubten Zu- 
muthungen gegen Personen, die zur Familie gehören oder sonst im Hause aus- 
und eingehen, nicht hat schützen wollen. 
140. 5. Wenn die Herrschaft dem Gesinde das Kostgeld gänzlich vor- 
enthält, oder ihm selbst die nothdürftige 4) Kost verweigert. 
z. 141. 6. Wenn die Herrschaft auf eine Zeit, welche die laufende 
Dienstzeit übersteigt und in eine Entfernung, die mehr als sechs Meilen be- 
trägt, eine Reise vornimmt oder überhaupt in diese Entfernung, ihren bisher 
gewöhnlichen Wohnsitz verlegt und es nicht übernehmen will, den Dienstboten 
zum Ablaufe der Dienstzeit kostenfrei zurück zu senden. Hat die Herrschaft 
mehrere gleich gewöhnliche Wohnsitze, so wird die Entfernung von sechs Meilen 
nach demjenigen berechnet, den sie zuletzt wirklich bewohnt hat. 
. 142. 7. Wenn der Dienstbote durch schwere Krankheit zur Fortsetzung 
des Dienstes unvermögend wird. 
Unter der Zeit, doch nach vorhergegeangener Aufkündigung von 
Seiten der Herrschaft. 
§. 143. Vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorangegangener Auf- 
kündigung kann die Herrschaft einen Dienstboten entlassen: 
I1. Wenn demselben die nöthige Geschicklichkeit zu den, nach seiner Be- 
stimmung ihm obliegenden Geschäften ermangelt. 
§. 144. 2. Wenn nach geschlossenem Miethsvertrage die Vermögens- 
Umstände der Herrschaft dergestalt in Abnahme gerathen, daß sie sich entweder 
ganz ohne Gesinde behelfen, oder doch dessen Zahl einschränken muß. 
1) §. 363 R. Str. G. B. 
2) Weitere Fälle: §. 4 Vd. 29. Sept. 1846, §. 16 Feld-- und Forftpolizei- Ges. 
1. April 1880. " 
2) Die Ortspolizeibehörde ist — auch wenn das Gesinde zum sofortigen Ver- 
lassen des Dienstes befugt erscheint — unbeschadet ihres Rechtes darauf hinzuweisen 
daß sie eine Zurückführung ablehnen werde — doch nicht ermächtigt, in einem Ver- 
fahren zwischen Herrschaft und Gesinde ihrerseits die Auflösung des Dienstverhälmisses 
auszusprechen, Erk. 26. Okt. 1889 (E. O. V. XVIII. 418). 
) Die Emscheidung darüber, was an Kost zu gewähren ist, steht der Polizei- 
behörde zu. Vergl. oben §. 83.
	        
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