Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

774 Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung. 
Rechtliche Folgen einer ohne Grund geschehenen Entlassung. 
§. 160. Eine Herrschaft, die aus andern als gesetmäßigen Ursachen das 
Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit entläßt, muß von der Obrigkeit dasselbe 
wieder anzunehmen und den Dienstvertrag fortzusetzen angehalten!) werden. 
§. 161. Weigert sie sich dessen beharrlich, so muß sie dem Dienstboten 
Lohn und Livree auf die noch rückständige Dienstzeit entrichten. 
§. 162. Auch für die Kost muß die Herrschaft bis dahin sorgen. 
§. 163. Kann aber das Gesinde noch vor Ablauf der Dienstzeit ein 
anderweites Unterkommen erhalten ), so erstreckt sich die Vergütungs-Verbind- 
  
1) Die im §. 160 bezeichnete polizeiliche Einwirkung darf niemals bis zu 
Zwangsmaßregeln wegen Fortsetzung des Dienstes gegen die Herrschaft gehen, indem 
die beharrliche Weigerung derselben nur die Verbindlichkeit zur Entschädigung des 
Gefindes nach sich zieht. Da der Entschädigungsanspruch des Gesindes nach §. 161 
erst durch die beharrliche Weigerung der Herrschaft begründet wird, so hat das 
Einschreiten der Polizeibehörde immer die wesentliche Wirkung nach vergeblicher Auf- 
forderung der Herrschaft durch die Polizeibehörde zur Fortsetzung des Dienstverhält- 
nisses, die Entschädigungsklage des entlassenen Gesindes zu begründen, Res. 11. Sept. 
1840 (M. Bl. S. 362). Der entlassene Dienstbote muß die Vermittelung der 
Polizeibehörde förmlich anrufen. Diese hat den Versuch der Wiederaufnahme des 
Dienstboten nicht von Amtswegen anzustellen, Erk. O. Trib. 25. Sept. 1863 (E. L. 
341). Ist der Dienstherr Polizeiverwalter, so muß der Dienstbote die Vermittelung 
der nächstvorgesetzten Polizeibehörde in Anspruch nehmen, Erk. 9. Dez. 1864 (A. f. 
R. LVII. 158). Ueber die Thäütigkeit der Polizeibehörde vergl. Erk. O. V. G. 29. Okt. 
1887 (E. XV. 435), Res. 6. Juni 1888 (M. Bl. S. 124) und E. O. B. XVIII. 418. 
Wenn die polizeiliche Einwirkung erst nach gänzlichem Ablaufe der Dienstzeit 
erfolgt, so wird, wenn darauf die Dienstherrschaft die Wiederaufnahme verweigert, 
durch solche Weigerung die Entschädigungsklage des Dienstboten nicht begründet, Erk. 
O. Trib. 29. Febr. 1840 (E. VI. 59). Vergl. Erk. R. G. 10. Mai 1881 (Rass. 
u. Küntz. XXVI. 1048). 
Wenn die Herrschaft das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit aus anderen als ge- 
setzlichen Gründen entlassen hat, und der Dienstbote die Einwirkung der 
Polizeibehörde Behufs Wiederaufnahme ohne Erfolg in Auspruch 
genommen hat, so muß er von dem Richter zur Anstellung der Entschädigungsklage 
zugelassen werden, Plenarbeschl. O. Trib. 11. Dez. 1846 (E. XIV. 81, M. Bl. 
1847 S. 45). (Dieses Erkenntniß bezieht sich nach seiner Fassung auf die Fälle: 
1. wenn die Polizeibehörde die Entlassung für gerechtfertigt erklärt und 2. wenn sie ihre 
Dienste verweigert oder verabsäumt hat.) 
Durch das einmal ohne Erfolg geschehene Anrufen der Polizeibehörde Seitens 
des entlassenen Gesindes wird die vom Gesetz zur Begründung der Entschädigungsklage 
erforderte beharrliche Weigerung der Herrschast genügend sestgestellt, Erk. 20. Febr. 
1864 (Strieth. Arch. LVII. 225); Erk. R. G. 10. Mai 1881 (Rass. u. Küntz. 
XXVI. 1048; hat das Gesinde bei seiner Entlassung vorbehaltlos über den für 
die vergangene Dienstzeit erhaltenen Lohn guittirt, so liegt hierin kein Verzicht 
auf den Anspruch für die fernere kontraktliche Dienstzeit). 
Die 85. 160 und 161 setzen voraus, daß das Gesinde bereit ist, in den Dienst 
zurückzukehren; sie sinden keine Anwendung, wenn die Herrschaft das Gesinde wieder 
aufnehmen will, und wenn das Gesinde ohne gesetzmäßigen Grund erklärt hat, in den 
Dienst nicht wieder eintreten zu wollen, Erk. O. Trib. 21. April 1857 (Str. Arc# 
XXV. 67) und 30. Jan. 1863 (E. XLIX. 228). 
Auch Hausoffizianten müssen, wenn sie von der Herrschaft ohne gesetzmäßige 
Ursache vor Ablauf der Dienstzeit entlassen sind, zur Begründung ihres Anspruchs auf 
Lohn und Kost für die noch rückständige Dienstzeit, zuvor bei der Polizeiobrigkeit den 
Autrag stellen, die Herrschaft zur Wiederaufnahme anzuhalten, und wenn die Polizei- 
obrigkeit die Einmischung verweigert, mindestens denselben Antrag vor Gericht wieder- 
holen und zur Fortsetzung des Dienstes sich bereit erklären, Erk. O. Trib. 12. Febr. 
1857 (A. f. R. XXIV. 55). · 
2) Was die Dienstherrschaft zu beweisen hat, Erk. O. Trib. 22. Febr. 1859 
(Sriieth. Arch. XXXII. 305).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.